1. Home
  2.  › News
Wir brauchen inneres statt äußeres Wachstum

Inneres statt äußeres Wachstum

Nachhaltigkeit ist neben der Digitalisierung eine der größten Herausforderungen im Transformationsprozess der Gesellschaft und spielt in Wirtschaft und Wissenschaft eine immer wichtigere Rolle. Doch um Innovations- und Wertschöpfungsprozesse ebenso wie Organisationen selbst nachhaltiger zu gestalten, braucht es immer mehr Mitarbeiter:innen, die über entsprechende transformative Skills und Wissen zu aktuellen Nachhaltigkeitsthemen verfügen.

Bewusstsein schaffen für gesellschaftliche und persönliche Herausforderungen

Diese Skills und dieses Wissen sind grundlegend, um gesellschaftliche Veränderungen mutig gestalten zu können, indem sie Bewusstsein für gesellschaftliche sowie persönliche Herausforderungen schaffen und sowohl das Entwickeln visionärer Lösungen unterstützen als auch Menschen hinter einem gemeinsamen Ziel vereinen. Vor diesem Hintergrund integrieren immer mehr Unternehmen und Beratungsunternehmen weltweit die Idee und das Framework der Inner Development Goals (IDGs), um diese Skills zu trainieren und innerhalb von nachhaltigen Transformationsprozessen praxisbezogen anzuwenden. Mit der Integration der IDGs wird der Mensch ins Zentrum der unternehmerischen Nachhaltigkeit gestellt. Er erhält somit die Schlüsselkompetenzen, um die unternehmerische sowie individuelle Veränderung aktiv zu gestalten und die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zu erreichen.

Kompetenzen für unsere nachhaltige Transformation

Im Jahr 2015 wurde mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung von den Vereinten Nationen ein umfassender Plan für eine nachhaltige Welt bis 2030 vorgelegt. Die 17 Ziele mit ihren 169 Zielvorgaben widmen sich jeweils einer globalen Herausforderung, "Niemand soll zurückgelassen werden". Dieses Versprechen prägt die Ziele für nachhaltige Entwicklung, die alle UN-Mitgliedstaaten bis 2030 verwirklichen wollen. Es gibt eine Vision von dem, was geschehen muss, aber die Fortschritte auf dem Weg zu dieser Vision waren bisher eher bescheiden. Einer der Gründe dafür war die Erkenntnis aus zahlreichen wissenschaftlichen Studien, dass uns die inneren Fähigkeiten, um mit unserer zunehmend komplexen Umwelt und den Herausforderungen fertig zu werden, schlichtweg fehlen oder wir diese nicht (mehr) anwenden und gleichzeitig überfordert sind. Glücklicherweise zeigt die moderne Forschung, dass wir diese wichtigen Skills, die wir jetzt alle brauchen, trainieren und entwickeln können. Dies war der Ausgangspunkt für die Gründung der Inner-Development-Goals Initiative 2020 in Stockholm, einer gemeinnützigen und weltweit agierenden Open Source Organisation für innere Entwicklung. Das Ziel der IDGs: „Wir erforschen, sammeln und vermitteln wissenschaftlich fundierte Fähigkeiten und Qualitäten, die uns helfen, ein zielgerichtetes, nachhaltiges und produktives Leben zu führen. Der Rahmen der Inner Development Goals ist grundlegend für die Arbeit zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung“.

Das IDG-Rahmenwerk dient als Grundlage zur Erreichung der 17 SDGs

Die IDGs bilden einen grundlegenden Rahmen für transformative Fähigkeiten für eine nachhaltige Entwicklung und umfassen fünf Dimensionen und 23 Fähigkeiten. Die Übung und Ausbildung dieser Qualitäten sind  besonders für Führungskräfte, die sich mit den SDGs befassen, aber grundsätzlich auch für uns alle, von entscheidender Bedeutung.

Diese Fähigkeiten kommen genau dann ins Spiel, wenn Unternehmen bereits erste Schritte unternommen haben, um zum Beispiel das Geschäftsmodell nachhaltiger und innovativer aufzustellen, ihre Wertschöpfungskette zu dekarbonisieren oder ein Nachhaltigkeitsmanagement einzuführen. Vielleicht gibt es schon eine Nachhaltigkeitsstrategie inklusive abgeleiteter Handlungsfelder und Nachhaltigkeitsziele. Die wesentlichen Ansprüche der Stakeholder wurden abgerufen und in einer Wesentlichkeitsmatrix nach positiven und negativen Effekten dargestellt. Alles lässt sich kohärent und schlüssig im Nachhaltigkeitsbericht darstellen und grafisch aufbereiten.

Doch spätestens bei der Aktualisierung des CSR-Reports oder bei der Überprüfung der Einhaltung von Nachhaltigkeitszielen wird klar, dass es an der Umsetzung in die Praxis bzw. an der Verinnerlichung einer Nachhaltigkeitsstrategie innerhalb der Belegschaft klemmt. Gerade jetzt, in Zeiten von multiplen Krisen, zeigt es sich, dass nicht der Wissensgrad der entscheidende Faktor bei der Umsetzung von nachhaltigen Ideen und Innovationen ist, sondern das bewusst machen eines jeden, welchen individuellen Einfluss er auf den Gesamtprozess der Transformation hat. Dies wiederum setzt gewisse Fähigkeiten voraus; wie z.B. kognitives und co-kreatives Denken und Handeln, eine bewusste Beziehung zu sich selbst sowie zu den eigenen und gemeinsamen Entscheidungen.

Integration der IDGs als Beschleuniger einer nachhaltigen Entwicklung

Im Mittelpunkt der IDGs-Initiative steht die Co-Kreation nach dem Open-Source-Prinzip, einer fortlaufenden Weiterentwicklung durch Beiträge von einer stetig wachsenden Anzahl von Expert:innen, Wissenschaftler:innen, Praktiker:innen und Organisationen aus aller Welt. Im Jahr 2021 wurde der erste IDGs-Bericht veröffentlicht, der den Hintergrund, die Methode und das Rahmenwerk mit seinen 5 Dimensionen und 23 transformatorischen Fähigkeiten erläutert. Im November 2022 wurde ein IDG-Tool-Kit (https://idg.tools/) veröffentlicht, das Webinare, Schulungen und Trainingseinheiten aus den fünf IDG-Bereichen be (Sein), think (Denken), relating (in Verbindung treten), collaborating (Zusammenarbeit) und acting (Handeln) frei zugänglich anbietet (Screenshot Toolkit 5 Bereiche). Unternehmen und Einzelpersonen, die zum Beispiel neue Ideen für die Weiterführung eines Projektes suchen, können innerhalb des Bereiches „Collaborating“ Übungen und Workshopanleitungen wie „Purposeful Leadership“ oder „Einbindung von Werten in die Teamarbeit“ finden. Jedes Fortbildungsmodul berücksichtigt gleichzeitig auch die Einbindung der 17 SDGs. Somit lassen sich mit unterschiedlichen Übungseinheiten die individuellen Fähigkeiten trainieren und gleichzeitig die Implementierung der SDGs in den transformativen Wandel des Unternehmens einbeziehen.

IDGs in der Praxisanwendung

Die Stuttgarter Marketingagentur SSM - Agentur für sportliche Marken“ befindet sich mitten im nachhaltigen Transformationsprozess mit hinreichendem Impact auf das Geschäftsmodell und die Organisation. Gemeinsam mit der Agentur für nachhaltige Kommunikation wurde 2022 eine Nachhaltigkeitsstrategie definiert, die Handlungsfelder sowie die dazu gehörigen Nachhaltigkeitsziele quantifiziert und diese nach den 17 SDGs geclustert. Gemeinsam mit der Geschäftsleitung und der CSR-Beauftragten erstellte die Agentur einen ersten Nachhaltigkeitsbericht nach dem Standard des Deutschen Nachhaltigkeitskodex und der Global Reporting Initiative.

Zum Anfang des Jahres wurden alle Mitarbeiter:innen innerhalb eines Nachhaltigkeitsworkshops über alle Entwicklungen und Maßnahmen informiert. Die Herausforderung bestand nun darin, in kürzester Zeit sowohl das Nachhaltigkeitswissen der Mitarbeiter:innen aufzubauen, wie auch die Skills zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in den eigenen Projekten nach dem Framework der IDGs zu trainieren.

Mithilfe der s.g. Choice Map von Dr. Marilee Adams und der Perspektivenwechsel-Methode wurde ein kurzes Planspiel durchgeführt. Innerhalb von 10 Minuten sollte jedes Team in eine neue Organisationsrolle schlüpfen; wie zum Beispiel IT, Personal, Marketing, etc.. und Fragen zum bevorstehenden Umzug des Unternehmens notieren. Nach  einem Innehalten (Phase 1 Sein: In Kontakt mit sich selbst treten) entstanden innerhalb kürzester Zeit völlig neue Perspektiven und Fragen, die sich als sehr hilfreich für die weitere Organisation des Umzugs herausstellten (Phase 2: Kognitives Denken und Phase 3-4: Co-kreatives Denken und Handeln).

Überraschend für alle Teilnehmer:innen des Planspiels war besonders der Output; also wie schnell und wie viele kreative Ansätze und Lösungen für die gestellte Challenge entstanden sind.

„Die Unternehmenskultur ist essenziell für Veränderungen im Unternehmen - dafür ist ein Commitment seitens der Führungsebene bedeutsam; ob und wie die Dinge sich verändern dürfen, ein reelles Interesse und Offenheit an Veränderungen besteht und eine Fehlertoleranz vorhanden ist. Zusammen zu lernen und Dinge weiterzuentwickeln ist sehr wichtig und kann mithilfe der Anwendung der Inner Development Goals im Team geübt werden. Wer in einer Übung einen Perspektivwechsel vollzieht, wird auch mit seiner Empathiefähigkeit konfrontiert. Hier kommen das kognitive Verstehen – was denkt der andere – sowie das Mitgefühl zusammen. Dies sind wichtige Fähigkeiten, die wir aus der psychologischen Weisheitsforschung kennen. Sie helfen, auch über einen Zeitraum oder Kulturen hinweg, verschiedene Perspektiven ins Verhältnis mit der eigenen Sicht zu setzen und sich dadurch selbst nicht immer so wichtig zu nehmen“, erklärt Katharina van Bronswijk im Interview am Rande des CDR-Summit 2023 in Karlsruhe.

„Das hilft, Egoismus zu überwinden und Kooperation zu fördern, außerdem krisenresilienter zu werden, weil man Dinge anders betrachtet und dadurch neue Lösungsmöglichkeiten sichtbar werden, die man zuvor nicht gesehen hat“, erläutert van Bronswijk weiter. Katharina van Bronswijk ist als Sprecherin der Psychologists and Psychotherapists for Future gut vertraut mit den komplexen Zusammenhängen zwischen Umweltkrisen und psychischer Gesundheit. Die Psychologin und Verhaltenstherapeutin ist seit 2009 im Klimaschutz aktiv, unter anderem bei Greenpeace, und betreibt eine eigene Praxis in der Lüneburger Heide.

Quellenangaben: Linkverweise: https://www.innerdevelopmentgoals.orgBilder: SSM – Agentur für sportliche Marken, Agentur für nachhaltige Kommunikation, Firma/Agentur: https://www.nachhaltig-kommunizieren.com/, Bildquellen. SSM – Agentur für sportliche Marken mit Freigaben/Verwendungsrecht

Über die Autorin

Ulrike Stöckle ist geschäftsführende Inhaberin der Agentur für nachhaltige Kommunikation, Herausgeberin des Online-Magazins ecowoman und Gründerin der Akademie für CSR-Management & Umweltökonomie. Seit über 13 Jahren berät sie national und international aufgestellte KMUs und Konzerne dabei, individuelle Nachhaltigkeitsstrategien zu entwickeln und umzusetzen, sowie CO2-Bilanzen zu erstellen, um zukünftig ressourceneffizienter, nachhaltiger und wettbewerbsfähiger zu wirtschaften. Die Agentur erstellt Nachhaltigkeitsberichte nach dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) und CSR-Reports auf Basis der Global Reporting Initiative (GRI).

Seit Januar 2022 ist die studierte Betriebswirtin, Journalistin und Nachhaltigkeitsmanagerin zudem Gründerin der Akademie für CSR-Management & Umweltökonomie und wendet innerhalb des Sustainable Leadership Programms und ihrer Beratungstätigkeit die Inner Development Goals an.