The Polygon - 27 Jahre nach den Kernwaffentests: Das ist aus den Überlebenden geworden
Bis in die 80iger wurden in der Steppe Kasachstans mehr als 40 Jahre lang Kernwaffentests durchgeführt. Schätzungen zufolge wurden etwa 600.000 Menschen, die außerhalb der abgeriegelten Zone lebten, radioaktiver Strahlung ausgesetzt - mit fatalen Folgen. Was ist 27 Jahre später aus den Bewohnern geworden? Das Team von „Our World vor Ort“ hat das Schicksal der Überlebenden in einer packenden BBC Dokumentation festgehalten.
„The Polygon“ oder „Semipalatinsk“ wird das Gebiet der Sowjetunion bezeichnet, in dem innerhalb von 40 Jahren über 500 Atombomben getestet und mehr als 600.000 Menschen mit den radioaktiven Strahlen kontaminiert wurden. Und die Auswirkungen wirken noch über Generationen nach. Bis heute beschäftigen sich die Ärzte mit den tödlichen Folgen.
Dr. Talgat Muldagaliev, medizinischer Experte auf dem Gebiet der radioaktiven Verstrahlung
Atomwaffentests an Menschen
Atombombentests werden hauptsächlich durchgeführt, um Effektivität und Auswirkungen der Bomben zu messen. Bei oberirdischen Kernwaffentests wurden häufig Gebäude, Fahrzeuge, Tiere und sogar Menschen platziert, um die Auswirkung der Explosion genau beobachten zu können.
Während des Ost-West-Konflikts im Kalten Krieg fanden Nuklearwaffentests vor allem aus Propagandazwecken statt. So führten sich die verfeindeten Nationen gegenseitig ihr atomares Potential vor, um den Feind einzuschüchtern und die Bevölkerung von der Notwendigkeit dieser Waffen zu überzeugen. Während die Vereinigten Staaten vor den Abwürfen der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki schon 1945 den ersten Atomwaffentest im Bundesstaat New Mexico realisierten, zog die Sowjetunion 1949 mit der Explosion der RDS-1 nach. Haupttestgebiet war das Atomwaffentestgelände Semipalatinsk in der Steppe Kasachstans. Von 1949 bis 1989 wurden dort über 500 Nuklearbomben gezündet. Auf insgesamt 18.000 km2 fanden Explosionen überwiegend in der Luft oder am Boden statt, was zu einer erheblichen Strahlenbelastung der Atmosphäre führte. Später wurden die Tests auf dem Gelände in Bohrlöchern und Tunneln weitergeführt.
Betontürme, an denen die Ausmaße der Bombenexplosionen getestet wurden
Aus Sicherheitsgründen dürfen Nuklearwaffentests nur in weiträumig abgesperrten Gebieten stattfinden, doch immer wieder gab es auch Tests, die in der Nähe von Siedlungen gemacht wurden – die Tests in Kasachstan gehörten dazu.
Die meisten Menschen wussten nicht einmal, was da vor sich ging und einige hielten die Explosionen sogar für ein schönes Schauspiel.
Das ehemalige Atomwaffentestgelände ist heute noch Sperrgebiet, aber praktisch für jedermann zugänglich. Die für die Tests von Atombomben angelegten und größtenteils auch genutzten Stollen und Tunnel sind inzwischen verfüllt und verschlossen. Die Strahlung an dem Ort misst heute immer noch einen Wert, der etwa 400mal höher als der empfohlene Maximalwert ist.
Das Dorf Znameka, in der gefährlichsten Zone des Polygon
Die Überlebenden der Atomtests
Die meisten Bewohner, die in den anliegenden Orten des Testgeländes wohnen, leiden an diversen Krankheiten, hauptsächlich Krebs. Viele wurden außerdem ohne Gliedmaßen geboren. Da es aufwändig und teuer ist, den von den Behörden für jeden Einzelfall geforderten Nachweis zu erbringen, dass die Atomtests Auslöser der Krankheiten sind, werden die meisten Betroffenen nicht als Opfer anerkannt und leben unter ärmsten Bedingungen.
Karipbek Kuyukov, Künstler, Aktivist und Opfer der Nuklearwaffentests
Die BBC Dokumentation "Nuclear Test Survivors - Überlebende des "Polygon". Nuklearwaffenversuchsgeländes der Sowjetunion in Kasachstan berichten“, zeigt eindrucksvoll, was aus den Überlebenden der Kernwaffentests geworden ist. Karipbek Kuyukov wurde ohne Arme geboren und malt Bilder mit dem Mund. Als Kernwaffenaktivist hat er sein Leben dem Kampf gegen Atomwaffen gewidmet. Pakizat Mdkhmetova, eine junge Frau, die 25 Jahre lang ein normales Leben führte, bis sich ihr Körper plötzlich aufgrund eines Gehirntumors zu verändern begann, erzählt ihre tragische Geschichte. Diese und weitere Schicksale zeigt die Dokumentation am 17.02.2017 auf BBC World News.
Eleugazi Nurgaliyev, der älteste bekannte Zeuge und Überlebende der ersten Nuclearwaffentests im Polygon-Gebiet
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Quellen: BBC World News Dokumentation: "Nuclear Test Survivors - Überlebende des "Polygon" Nuklearwaffenversuchsgeländes der Sowjetunion in Kasachstan berichten.“, Bilder: BBC World News Dokumentation: "Nuclear Test Survivors - Überlebende des "Polygon" Nuklearwaffenversuchsgeländes der Sowjetunion in Kasachstan berichten.“, Text: Meike Riebe