Kreißsaal oder zu Hause: Ist eine Hausgeburt gefährlich?
Neun Monate bereitet sich unser Körper auf die Geburt unseres Kindes vor. Genauso lange haben wir Zeit, dieses Ereignis individuell zu planen. Kommt eine Hausgeburt infrage, ist sie womöglich gefährlich? Was sind Vorteile und Risiken? Wir hinterfragen, was an den Vorbehalten gegen Hausgeburten wirklich dran ist.
Nur zwei Prozent aller Geburten in Deutschland sind geplante Hausgeburten. Warum ist das so? Sind Hausgeburten tatsächlich mit hohen Risiken verbunden? Gibt es zu wenige Hebammen?
Hausgeburt mit Risiken: Wie gefährlich sind Hausgeburten wirklich?
98 Prozent aller Geburten in Deutschland finden in einer Klinik statt. Bei 93 Prozent dieser Geburten wird von außen eingegriffen. Dazu zählen: Schmerzmittel, Periduralanästhesie (PDA), Saugglocke, Zange oder Kaiserschnitt. Eine erschreckend hohe Zahl, die den Eindruck erweckt, als sei der menschliche Körper ohne Intervention nicht in der Lage ein Kind zu gebären. Der Trend geht immer mehr zu geplanten Geburten, die entweder nach Terminabsprache eingeleitet und mit Schmerzmitteln oder PDAs begleitet oder gleich per Kaiserschnitt durchgeführt werden.
Aber sind diese Eingriffe wirklich notwendig? Wären diese Kinder bei einer Hausgeburt mit schweren Schäden oder Behinderungen zur Welt gekommen oder wären Mutter und Kind sogar in Lebensgefahr geraten?
98 Prozent aller Geburten finden in einer Klinik statt
Studie untersucht Risiken bei Hausgeburten
Dies untersuchte eine im Dezember 1993 vorgestellte Studie des Schweizerischen Hebammenverbandes: Es wurden innerhalb von vier Jahren 489 Frauen mit geplanter Hausgeburt und 385 Frauen mit geplanter Klinikgeburt untersucht. Dabei zeigte sich, dass 38 Prozent der Frauen mit Hausgeburt keine Dammverletzungen hatten, bei Frauen mit Klinikgeburt waren es nur 9 Prozent. Weiterhin wurden bei den Hausgeburten deutlich weniger Geburtseinleitungen, Kaiserschnitte oder Vakuum- bzw. Zangenentbindungen durchgeführt und seltener wehenfördernde und schmerzstillende Medikamente verabreicht. Bei den Neugeborenen beider Gruppen wurden keine Unterschiede in den untersuchten Gesundheitsmerkmalen gefunden. Dennoch haben wir viele Vorurteile und Bedenken bezüglich Hausgeburten – Risiken, die vor allem in unserem Kopf existieren?
Vorbehalte gegen Hausgeburten in Deutschland
Es gibt keinen Hollywood-Film, in dem die Schwangere zur Geburt nicht in ein Krankenhaus fährt. Hausgeburten spielen in der Öffentlichkeit keine Rolle und sind, wenn überhaupt, mit negativen Vorstellungen assoziiert. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gilt eine Hausgeburt in vielen Industrieländern als exotisch und unvernünftig.
Grund für die wenigen Hausgeburten in Deutschland ist mitunter unser strikt durchorganisiertes Gesundheitssystem. Mit seinen Vorsorgeuntersuchungen, Normierungsversuchen und Falsch-Positiv-Messungen führt es zu einer starken Verunsicherung der Schwangeren. Dass alle Vorsorgeuntersuchungen freiwillig sind und diese auch eine Hebamme durchführen kann, erwähnen die Frauenärzte meistens nicht.
Was kostet eine Hebamme für eine Hausgeburt? Kosten für Hausgeburten in Deutschland
Da die Kosten für die Haftpflichtversicherung von Hebammen in den letzten Jahren explosionsartig von 1.600 Euro im Jahr 2007 auf 7.639 Euro jährlich angestiegen sind, können es sich viele Hebammen nicht mehr leisten, Hausgeburten zu begleiten. Die wenigen, die Gebärende noch Zuhause begleiten, tun das meist aus Idealismus – lohnen tut es sich jedoch nicht mehr.
Laut „Hebammen für Deutschland e.V.“ verdient eine Hebamme bei einer Hausgeburt 548,80 Euro. Für die Hausbesuche nach der Geburt erhält sie durchschnittlich 27,00 Euro pro Tag. In der Regel werden drei bis fünf Besuche der Hebamme nach der Geburt eingeplant. Manche Mütter wünschen sich die Anwesenheit einer zweiten Hebamme bei der Hausgeburt. Dies wird zusätzlich mit 164,80 Euro berechnet. Damit liegen die Kosten weit unter denen einer Klinikgeburt, die durchschnittlich 1.600 bis 2.150 Euro kostet. Die anschließenden Untersuchungen des Neugeborenen in der Klinik werden regulär mit 811 Euro veranschlagt.
Die Kosten werden in beiden Fällen komplett von der Krankenkasse übernommen. Bei der Hausgeburt muss lediglich die Vergütung der Rufbereitschaft der Hebamme (150 bis 300 Euro) von den Eltern übernommen werden.
Ein Problem für werdende Eltern sind also nicht die Kosten der Hausgeburt, sondern überhaupt eine Hebamme zu finden, die Hausgeburten anbietet und noch freie Kapazitäten hat.
Ausschlusskriterien für Hausgeburten in Deutschland
2015 wurden fragliche Ausschlusskriterien für Hausgeburten festgelegt. Dazu zählt zum Beispiel die Überschreitung des errechneten Geburtstermins. Wer mindestens drei Tage über den errechneten Termin liegt, muss auf die Zustimmung eines Arztes zur Hausgeburt hoffen. Frauen haben nach Ablauf dieser Frist keine Möglichkeit mehr den Geburtsort frei zu wählen, obwohl das eigentlich gesetzlich zugesichert ist.
Weitere Ausschlusskriterien für eine Hausgeburt sind: Wehen oder Blutungen während der Schwangerschaft, zu hoher Blutdruck, Diabetes, Mehrlingsgeburten, die „falsche“ Kindslage, Anomalien in Funktion und Lage des Mutterkuchens oder andere Anomalien.
Sind diese strengen Vorgaben für Hausgeburten sinnvoll? Auf jeden Fall schüren sie unsere Ängste, etwas könnte bei der Hausgeburt schief gehen. Generell gehört zu einer geplanten Hausgeburt auch immer ein Notfallplan für die Verlegung in eine Klinik.
Was spricht für eine Hausgeburt?
In ihrer Analyse „Das Dilemma der klinischen Geburtshilfe“ sagt Corinna Crotty, dass die gesunde Frau mit gesundem Kind bei der Geburt keine medizinische Hilfe braucht, sie braucht lediglich eine Umgebung in der sie entspannen und ganz bei sich selbst sein kann.
„Die Atmosphäre im Krankenhaus verhindert hingegen meist die Ausschüttung von Endorphinen und Oxytocin, so dass vom natürlichen, schmerzlindernden und bewusstseinserweiternden Rausch der Geburt nur der Schmerz übrig bleibt“, so Irene Behrmann von GreenBirth.
Wie erleben Mütter eine Hausgeburt? Erfahrungen mit der Geburt zu Hause
Zahlreiche Mütter bestätigen mit ihren eigenen Hausgeburt - Erfahrungen die Aussagen der Expertinnen. Das Gefühl bei der Hausgeburt von Geborgenheit und Sicherheit in der gewohnten Umgebung beschreiben viele Mütter als entspannend. Besonders die Nähe zur Familie und zu Menschen, die uns nahe stehen, sorgen für eine angenehme Atmosphäre. Auch die individuelle Betreuung durch die Hebamme empfinden die Frauen als besonders wertvoll. Der Kontakt während der Schwangerschaft und die gemeinsame Planung der Hausgeburt bieten die Möglichkeit sich kennenzulernen und Vertrauen aufzubauen.
Nach der Geburt ist es einfach schön, wenn die Familie komplett ist und der Nachwuchs zu Hause empfangen wird. Dieser intime Moment ganz im Kreise der Liebsten ist sehr ergreifend und fördert eine starke Bindung zum Neugeborenen.
Selbstbestimmtheit bei der Hausgeburt
Ein weiterer Vorteil von Hausgeburten ist die Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmtheit. Bei einer Hausgeburt muss die Familie sich nicht an Vorschriften halten, wie sie die Klinik häufig vorgibt. Zu Hause kommt es auch nicht leichtfertig zu medizinischen Eingriffen. Dazu wäre eine Verlegung in die Klinik notwendig. So wird auch eher auf Schmerzmittel verzichtet, die zwar den Schmerz lindern, aber für den Geburtsverlauf und das Wohlergehen des Kindes kontraproduktiv sein können.
Sollten Sie sich für eine Hausgeburt entscheiden?
Die Entscheidung für eine Hausgeburt sollte immer mit Beratung und Begleitung durch eine Hebamme erfolgen. So kann die größtmögliche Sicherheit für Mutter und Kind gewährt werden. Wenn es doch zu Komplikationen kommen sollte, hat die Hebamme viele Möglichkeiten einzugreifen und gegebenenfalls die Verlegung in eine Klinik zu veranlassen oder einen Notarzt zu rufen. Die vollkommene Sicherheit gibt es hier nicht. Dies gilt allerdings auch für die Geburt in einer Klinik. Letztendlich muss jede Familie und jede Mutter individuell entscheiden, ob eine Hausgeburt das Richtige für sie ist. Weiterlesen…
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Quellen: Corinna Crotty: „Das Dilemma der klinischen Geburtshilfe.“, Bilder: Depositphotos/gpointstudio, Kzenon, FamVeldman, Text: Jasmine Barendt
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