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Warum die Deutschen immer weniger werden
Dass Deutschland ein demografisches Problem hat, ist seit langem bekannt. Untersuchungen gehen von einem Bevölkerungsrückgang bis 2050 von über 12 Millionen Einwohnern aus. Gleichzeitig wird das Durchschnittsalter in der Bevölkerung von heute 40 auf 50 Jahre steigen. Wo liegen die Gründe?
Seit 1972 liegen die Geburtenraten unter dem Niveau von 2,1 Kindern, das zur Bestandserhaltung notwendig wäre.
Karrierekiller Kind und der Einfluss alter Rollenbilder
Hauptgrund für die niedrige Geburtenrate ist, laut einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung von 2012, die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Gleichzeitig fehlt den berufstätigen Muttern hierzulande die gesellschaftliche Anerkennung. Gerade in den alten Bundesländern herrsche noch immer das kulturelle Leitbild der "guten Mutter", die zu Hause bei den Kindern zu bleiben habe – tatsächlich sei dies ein Grund für berufstätige und vor allem hochqualifizierte Frauen, sich im Zweifel gegen Kinder zu entscheiden.
Familienglück – kein lohnender Traum mehr?
In der Studie wird deutlich, dass sich auch die Bedeutung von Kindern und Familie für viele Deutsche verändert hat. Das berufliche Interesse, die Pflege von Freundschaften oder Hobbys haben bei vielen jungen Erwachsenen einen höheren Stellenwert als Kinder. Wie Günther Jauch in seiner Talkshow vom 2.6.2012 herausfand, wollen ein Drittel aller jungen Deutschen angeblich gar keine Kinder bekommen.
Kinder kosten bis zum 18. Lebensjahr durchschnittlich 120.000 Euro © iStockphoto/ Thinkstock
Finanzielle Belastungen trotz staatlicher Unterstützung
Trotz Kinder- und Elterngeld ist ein Kind ein immenser Kostenfaktor und für Geringverdiener sogar ein Armutsrisiko. Jedes 5. Kind in Deutschland bezieht heute schon Sozialleistungen, Tendenz steigend. Es gibt immer weniger vollzeitnahe Jobs, jeder zweite Deutsche hat nur einen befristeten Vertrag oder ist als Leiharbeiter beschäftigt. Und wenn man dann bedenkt, dass ein Kind bis zum 18. Lebensjahr durchschnittlich 120.000 € kostet, ist es kein Wunder, dass diese Zahl schon Viele abschreckt. Im Schnitt sind das 550 € pro Monat - da fragen sich viele: Investiere ich das die nächsten 20 Jahre in ein Kind, oder kann ich das Geld nicht doch lieber selbst gebrauchen.
Modern Family: Neue Familienstrukturen
Trotz der stabil bleibenden, niedrigen Geburtenraten haben sich die Familienstrukturen in Deutschland in den letzten Jahren deutlich verschoben. Der Anteil der Familien mit nur einem Kind nimmt nämlich ständig ab und auch die Großfamilien sind wieder auf dem Vormarsch sind. So zeigt sich derzeit unter gut verdienenden Familien in deutschen Großstädten der Trend, möglichst viele Kinder zu bekommen - hier sind Kinder wieder zum Statussymbol geworden.
Großfamilien sind bei Gutverdiener im Trend © Lifesize/Thinkstock
Väter sind kein adäquater Ersatz
Die Untersuchung des Bundesinstitutes für Bevölkerungsforschung ergab auch, dass deutsche Väter bis heute nicht als adäquater Ersatz für die Mütter angesehen werden. Im internationalen Vergleich trauen wir also den Männern viel weniger zu als zum Beispiel die Französinnen oder Belgierinnen – in deren Ländern werden arbeitende Mütter viel stärker akzeptiert und angesehen.
Andere Länder, andere Geburtsraten
In der EU sind neben Deutschland auch Italien und Spanien von starken Geburtenrückgängen betroffen: In diesen drei Ländern liegen die Geburtsraten bei 1,25 bis 1,4 Kindern pro Frau. In Frankreich, Irland oder Finnland hingegen weisen die Geburtenraten nahe dem Reproduktionsniveau von 2,1 auf.
Ein Sonderfall unter den Industrieländern sind die USA mit vergleichsweise hohen Geburtenraten. Obwohl die Mütter dort im Arbeitsleben weniger Schutz genießen als in Europa, lag die Geburtenrate in den Staaten zwischen 1998 und 2009 immer über dem Wert von 2,0. Den größten Anteil zu diesem Wachstum tragen die Hispano-Amerikaner bei. Die Tendenz zur Kinderlosigkeit bei Akademikerinnen macht sich aber inzwischen auch in den USA bemerkbar.
Das Fazit der erwähnten Studie: "Kinder stellen nicht mehr für alle Deutschen einen zentralen Lebensbereich dar."
Quelle: Medical Press / Text: Christina Jung