Nicht überall in Europa denkt man an Reduzierung von Atom-Strom.
Atomausstieg: Viele Nachbarländer zählen weiter auf Atomkraft
Deutschland mag vor dem Atomausstieg stehen, doch unsere Nachbarn scheinen das anders zu sehen. Der Wille zum Wechsel zu erneuerbaren Energien scheint an der Landesgrenze zu enden. Von Deutschlands neun Nachbarstaaten setzen heute fünf auf Atomkraft. Und Polen steht vor dem Einstieg. Eine Übersicht.
Täglich finden wir Nachrichten über die Pläne zum Atomausstieg, wird der Verzicht auf Atomstrom öffentlich diskutiert und steigen die politischen Bestrebungen, auch den Willen der Wähler und der Stimmung in Ländern und Bund gerecht zu werden. Denn nach der schweren Katastrophe im japanischen Fukushima ist der Atomausstieg mehr denn je ein Thema in Deutschland und der Schwenk, hin zu erneuerbaren Energien offensichtlich in der Vorbereitung. Dies ist nicht zuletzt auch auf Basis einer aktuellen Studie des Weltklimarates sehr gut möglich. Das einzige was vonnöten ist: Der politische Wille zum Atomausstieg.
Diesen Willen hat nicht jeder unserer Nachbarn. Denn: Die Kernenergie jenseits unserer Grenzen ist weit ausgebaut und soll in einigen Ländern noch forciert werden. So ist unser Nachbar Frankreich mit 58 Atom-Reaktoren der weltweit zweitgrößte Atomstromproduzent nach den USA und verkauft seine Kraftwerkstechnik in alle Welt. Mehr noch, es ist keine Reduktion geplant, sondern ein Ausbau der Kernenergie. Denn zwei weitere Atomkraftwerke sollen demnächst noch hinzukommen. Aufgrund der großen Zahl an Atomkraftwerken kommt mehr als Dreiviertel des in Frankreich produzierten Stroms 2010 aus Kernkraftwerken. Damit ist Frankreich prozentual gesehen an der Spitze der Länder die Strom durch Atomkraft produzieren.
Deutscher Strom soll wie in den Alpenländern grüner werden.
Unser kleiner Nachbar Belgien betreibt insgesamt sieben Reaktoren, die mehr als die Hälfte des in Belgien erzeugten Stroms produzieren. Dagegen spielt in den Niederlanden die Atomkraft traditionell eine untergeordnete Rolle, denn lediglich ein Atomkraftwerk produziert vier Prozent des in den Niederlanden produzierten Stroms. Allerdings: 2015 soll mit dem Bau zweier neuer Atomkraftwerke gestartet werden. Ziel ist es, damit die Abhängigkeit von Kohle und Gas zu verringern und die derzeitige Quote von eingeführtem Strom aus deutschen Atomkraftwerken zu reduzieren.
Weit vorne in der Atomstromproduktion ist auch Deutschlands Nachbarland Tschechien. Denn Tschechien betreibt momentan sechs Reaktoren. Zwei weitere Atomkraftwerke sind geplant. Ein Drittel der tschechischen Stromerzeugung ist damit nuklear. Die Schweiz betreibt insgesamt fünf Atommeiler, allerdings auch zahlreiche Wasserkraftwerke und andere Erzeuger von erneuerbarer Energie. Knapp 60 Prozent des schweizer Stroms ist hierdurch bereits grün. Und noch eine Besonderheit gibt es im Energiemix der Schweiz: Kohle und Gas spielen keine Rolle.
Es geht auch anders: Länder ohne Strom aus Atomkraft
Immerhin drei unserer Nachbarn haben bislang kein einziges Atomkraftwerk gebaut: Österreich, Dänemark und Luxemburg. Dänemark setzt massiv auf erneuerbare Energien und circa 35 Prozent des benötigten Stroms stammten 2010 aus dieser Quelle, der Rest kommt aus Gas und Kohle. Österreich bezieht rund 68 Prozent seines Stroms aus Wasserkraft und hat damit den größten Anteil unserer Nachbarländer an Strom aus erneuerbaren Energie-Quellen.
Ein Nachzügler steigt in Atomkraft ein
Polen hatte in den 80er-Jahren geplant, eigene Atomanlagen zur Stromproduktion zu bauen. Doch massiver Protest aus der Bevölkerung verhinderte eine Umsetzung des Vorhabens. Jetzt werden die Pläne von damals wiederbelebt: Bis zu sechs Reaktoren sollen ab 2013 gebaut werden, der erste davon ab 2020 Strom liefern. Momentan nutzt das Land aber keine Atomkraft, die meiste Energie - mehr als 90 Prozent - stammt aus Kohlekraftwerken. Was das Land darüber hinaus an Strom benötigt, kommt größtenteils aus deutschen Atomkraftwerken.
Quelle: www.tagesschau.de , Text: Jürgen Rösemeier