Frisches aus der Stadt: Löst neue vertikale Farm Zukunftsprobleme?
“Reduce, reuse, recycle” - ein vielzitiertes Motto, das eine bahnbrechende Erfindung für den großangelegten Gemüseanbau in der Stadt nun mit einer effizienten vertikalen Farm in die Tat umsetzt. Ort des Geschehens: Singapur. Dort hat ein findiger Ingenieur eine vertikale Farm in Betrieb genommen, die bald den überwiegenden Bedarf des kleinen Landes an Gemüse decken kann.
Urban Farming oder vertikales Gärtnern - eine meist vom Wunschdenken geprägtes und in den wenigsten Fällen alltagstaugliches wie rentabeles Konzept. Nicht so bei dieser bahnbrechenden Erfindung eines Ingenieurs aus Singapur. (c) Thinkstockphotos
Der kleine Staat ist fast komplett zugebaut, ein Wolkenkratzer steht neben dem anderen. Zwar stimmen insgesamt die staatlichen Einnahmen doch der Preis für frische Lebensmittel ist hoch. Zudem fehlen durch die Bebauung die Anbauflächen für die eigene Lebensmittelversorgung. Die Konsequenz ist, dass nahezu alles frische Gemüse teuer und wenig nachhaltig aus China importiert werden muss.
Raus aus dem Stadtzentrum und rein ins Gewächshaus – wer die vertikale Farm von Sky Greens sieht, ahnt, dass es nun doch endlich eine Lösung für die nachhaltige Versorgung mit saisonalem Gemüse in den Großstädten auf der ganzen Welt geben kann. In Singapur ist dies jedenfalls schon der Fall. Denn die hoch innovative, äußerst umweltfreundlich arbeitende vertikale Farm von Jack Ng revolutioniert den seit den 50er Jahren geträumten Gedanken und den platzsparenden Anbau von Gemüse in der Vertikalen. Auf mehr als 100 bis zu neun Meter hohen Aluminiumregalen rotieren unzählige Gemüsepflanzen, die in wasser-, ressourcen- und energieeffizienter Anbaumethode unter idealen Bedingungen wachsen. Dabei steckt der Clou im Detail. Genauer: In mehreren Details.
Ebene für Eben nachhaltig angebautes Gemüse, mitten aus der Stadt. (c) Sky Greens
So setzt Sky Greens vertikale Farm auf ein umweltfreundliches, weil wassergetriebenes Antriebssystem, das für die geniale Konstruktion zur Rotation lediglich 60 Watt benötigt. Die komplette Rotation ist innerhalb von acht Stunden beendet. Somit erhalten alle in der vertikalen Farm angebauten Gemüsepflanzen zum einen genügend Licht, zum anderen kommen sie aber auch immer wieder aus der in diesen Breiten intensiven Sonne und sind somit dem dadurch entstehenden Stress durch die intensive Einstrahlung – verglichen mit dem konventionellen Anbau – nicht mehr ausgesetzt.
Zu den weiteren Innovationen – ganz dem Gedanken des ‚reduce, reuse, recycle‘ folgend - zählt eine Wasserrecycling-Anlage, die das gereinigte Wasser wieder in den Versorgungskreislauf zurückführt oder eine eigene Kompostieranlage, die Pflanzenreste zur neuen Nahrung für das hydrophonisch angebaute, knackige Grün wie Pak Choi oder Kohl machen.
Zwar ist das in dieser neuartigen vertikalen Farm angebaute Gemüse noch etwas teurer, als jenes das aus China importiert wird, doch schon heute schätzen die Einwohner der Megacity das knackige Grün aus der Nachbarschaft, das durch seine Frische und den lokalen Anbau glänzt.
Singapur produziert mit dieser vertikalen Farm und ein paar kleinen Feldern derzeit nur rund sieben Prozent seines benötigten Gemüses selbst. Doch Ng, der Sky Greens Gründer, schätzt, das schon bald über 50 Prozent dank seiner Erfindung aus der eigenen Anzucht möglich sind, auf kleinster Fläche und mit garantierter Versorgungssicherheit.
Mehr als 100 Regale mit rotierenden Wachstumsebenen - versorgt dieses System bald einen Großteil der Bewohner von Singapur? (c) Sky Greens
Denn: Er expandiert und will seine derzeit noch 100 Regale auf bis zu 2.000 aufstocken auf dem staatlich geförderten Gelände eines Agro-Parks, der vergleichbar mit den westlichen Industrieparks ist. Damit können schon bald bis zu zwei Tonnen Gemüse wöchentlich angebaut werden.
Ng versichert übrigens, dass, mit ein paar Modifikationen diese neue vertikale Farm auf der ganzen Welt zum Einsatz kommen kann und den Städter mit frischem, lokal angebautem Gemüse versorgen kann. Die einzige Voraussetzung für den effizienten Anbau: Keine Wolkenkratzer dürfen die vertikale Farm schattieren. Ein weiteres Problem in unseren Breiten ist die Beleuchtung. Doch Forscher arbeiten hier bereits auf Hochtouren mit energieeffizienter LED-Beleuchtung.
Einen anderen Ansatz verfolgt ein weiteres, offensichtlich und ebenfalls praktikables Vertical-Gardening Projekt. Das mittlerweile vielfach prämierte Konzept scheint kurz vor der Umsetzung zu stehen. Mehr dazu lesen Sie hier. Auch das Projekt 'Brightfarms zeigt, was heute im Gemüseanbau direkt in der Stadt möglich ist.
Diese und andere Vertical-Farming Projekte zeigen, dass der Gemüseanbau in der Stadt, noch dazu umweltfreundlich und platzsparend sehr wohl möglich ist. Es fragt sich nur, wann solche Systeme auch bei uns ankommen und eine nachhaltige, durch Frische kaum zu schlagende Versorgung des Städters ermöglichen...
Quellen: Sky Greens, CNN, Text: Jürgen Rösemeier