Periode für Periode zu mehr Frauenpower auf Vanuatu
Rund 75 Prozent aller Mädchen im Pazifikarchipel Vanuatu bleiben jeden Monat tagelang von der Schule fern. Grund: Sie schämen sich für ihre Periode. Bunte, waschbare, kostengünstige Stoffbinden kombiniert mit Aufklärungsarbeit sollen das Stigma aufheben und gleichzeitig Plastikmüll reduzieren.
Bauchkrämpfe, Gliederschmerzen, Stimmungsschwankungen - Zustände wie diese sind für Millionen Frauen weltweit blutige Realität. Monatlich. In den melanesischen Pazifikstaaten wie Vanuatu stellen diese Tage Geschlechtsgenossinnen vor besondere Herausforderungen: „Meine Mutter hat mit mir nie über Sik Moon (= Menstruation in Bislama) gesprochen“, erzählt Maryse im Dorf Pango nahe der Hauptstadt Port Vila, „bei meiner ersten Blutung haben mir Freundinnen geholfen.“ Ihre 10-jährige Tochter soll nicht in diesselbe Verlegenheit kommen. „Sie weiß Bescheid“, meint Maryse, „ich habe sie aufgeklärt.“ Sie ist eine Ausnahme.
Menstruation ist auf Vanuatu nicht nur Tabuthema. Die blutige Angelegenheit legt den 49,1 Prozent weiblichen ni-Vanus (= Bewohner Vanuatus), die als Menschen zweiter Klasse betrachtet werden, ein zusätzliches Stigma auf: „In vielen Dörfern gelten Frauen während der Periode als schmutzig, sie dürfen keine Mahlzeiten zubereiten und einige Arbeiten nicht verrichten“, erklärt Maryse, „auf manchen Inseln müssen sie in separaten Hütten wohnen.“ Mädchen bleiben Untersuchungen zufolge drei bis sieben Tage von der Schule fern und brechen letztendlich oft die Ausbildung ab. Sie schämen sich für ihre Blutung. Außerdem fehlt es an Hygieneprodukten sowie getrennten Toiletten.
Seit 2011 importiert die Unternehmerin Belinda Roselli Produkte von Vanuatu nach Neuseeland. Mit „Mamma´s Laef“, das sie bisher ehrenamtlich geführt hat, möchte sie dem Land und seinen BewohnerInnen etwas zurückgeben.
„Während der Menstruation werden Menschenrechte von Frauen verletzt“, meint Belinda Roselli. Zu dieser Erkenntnis kam die Neuseeländerin 2015. Nachdem Tropensturm Pam zahlreiche Inseln Vanuatus verwüstet hatte, versorgte sie Betroffene mit Proteinpulver, Wasser und Einweg-Binden. Bald merkte sie, dass Letztere in abgeschiedenen Dörfern keine Lösung darstellten: Geschäfte sind zu weit weg, Binden zu teuer. Stattdessen sind Lappen oder Servietten im Einsatz. „Das hat mich zum Nachdenken angeregt“, erklärt Belinda: „Wie hygienisch ist das wohl?“ Dabei blieb es nicht. Die Unternehmerin fand online ein Muster für waschbare Stoffbinden und stellte gemeinsam mit dem Ehepaar Jack und Mary Kalsap lokale Frauen als Schneiderinnen ein: „Mamma´s Laef“ (= Leben) war geboren.
Die bewusst farbenprächtigen Sanitary Kits bestehen aus zwei Hüllen sowie acht waschbaren, wiederverwendbaren Einlagen.
„Wir erwarten, dass die Kits drei bis vier Jahre halten“, erklärt Belinda die Vorteile, „für die Umwelt sind sie sehr gut, man braucht für die Reinigung nicht viel Wasser, sie sind günstig und haltbar.“ Seit 2016 haben acht Mammas tausende Stoffbinden geschneidert und in „Sanitary Kits“ kostenlos in Schulen verteilt. Damit nicht genug: Mary und Maryse, die mit Jacks Bruder verheiratet ist, unterrichten die Schülerinnen im Umgang mit dem Zyklus. „Wir machen ihnen bewusst, dass Menstruation keine Krankheit ist“, berichtet Maryse, „sie macht sie besonders: Sie bringen Babys zur Welt.“ Doch Mammas Laef möchte keine Barrieren zwischen den Geschlechtern aufbauen. Während seine Frau oder Schwägerin die Mädchen aufklären, lehrt Jack den Jungs, sich um den Haushalt zu kümmern und das weibliche Geschlecht zu respektieren. Denn: „Dass Menstruation tabu ist, liegt oft an Ängsten und Vorurteilen“, hat der Vater zweier Töchter erkannt.
Die Mädchen bekommen nicht nur ihre Stoffbinden, Mamma´s Laef zeigt ihnen auch, wie sie während ihres Zyklus hygienisch bleiben.
In zwei durch Spenden finanzierten Containern bei Jack und Marys Haus in Pango werden an drei bis vier Tagen die Woche die Stoffbinden hergestellt.
Mittlerweile wurden die über Spenden finanzierten Kits von „CARE“ an 600 Kinder auf der Vulkan-Insel Tanna verteilt. Auch mit „World Vision“ ist eine Zusammenarbeit geplant. Darüber hinaus interessiert sich das Unterrichtsministerium für die Schulungsmaterialien. „Eines unserer größten Ziele ist, dass verschiedene Frauengruppen unser Konzept übernehmen, Stoffbinden nähen und das Wissen weitergeben“, möchte die Neuseeländerin weitere Arbeitsplätze schaffen. Ihr Traum: „In jedem Dorf Vanuatus einen `Health Champion´ zu haben und so Frauen zu stärken.“ Periode für Periode.
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Quellen: Bilder: Mamma's Laef, Text: Doris Neubauer