1. Home
  2.  › Freizeit
  3.  › Natur
Biodiversität
Biodiversität in Deutschland

Mit lokalen Projekten die Biodiversitätskrise bekämpfen

Der Schutz und Erhalt von Biodiversität müssen nach einhelliger wissenschaftlicher Erkenntnis ganz oben auf der gesellschaftlichen Agenda des nachhaltigen Handelns stehen. Doch was umfasst der Begriff Biodiversität eigentlich genau, und können auch Projekte hier vor Ort die Biodiversitätskrise aufhalten? 

Neben dem Klimaschutz und den damit verbundenen CO2 Einsparungs- und Ausgleichmaßnahmen wird auch die Förderung von Biodiversität zu einem immer relevanteren Thema im Bereich Nachhaltigkeit. Da jeder Ort der Erde über eine eigene Biodiversität verfügt, benötigen wir an jedem Ort der Welt Schutzkonzepte. Auch in Deutschland werden deswegen Konzepte entwickelt, um die Biodiversität hierzulande zu schützen und zu fördern. Eine Möglichkeit, solche Schutzmaßnahmen vor der eigenen Haustür umzusetzen, liefert das Bielefelder Startup green account in Form von Renaturierungsprojekten. „Schätzungsweise über eine Million aller Tier- und Pflanzenarten sind weltweit vom Aussterben bedroht. Mit unseren Projekten tragen wir dazu bei, die Biodiversität zu fördern und der Natur den Raum zu geben, den sie braucht und verdient“ sagt uns Trutz von der Trenck, Mitgründer des jungen Unternehmens. Und damit trifft das Startup den Nerv der Zeit: immer mehr Unternehmen und Privatpersonen erkennen, wie wichtig es ist, sich für den Erhalt der Natur zu engagieren.

Biodiversität = Artenvielfalt?

Doch steht Biodiversität allein für die Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten? Keineswegs! Biodiversität wird zwar häufig als Synonym für Artenvielfalt von Tieren und Pflanzen verwendet - das beschreibt jedoch nur ein Teil ihrer Bedeutung. Denn Biodiversität umfasst die gesamte biologische Vielfalt auf der Erde einschließlich der genetischen Vielfalt innerhalb der Arten und das breite Spektrum aller Ökosysteme. Damit deckt sie viele Bereiche ab, die für uns Menschen und allem Leben auf der Erde essenziell sind. Denn: gesunde und biodiverse Ökosysteme sichern mit den von ihnen bereitgestellten „Ökosystemleistungen“ unsere Lebensgrundlage, ohne, dass wir uns dessen immer bewusst sind.

Ökosystemleistungen – die Leistungen der Natur

Dr. Frauke Fischer

Dr. Frauke Fischer

Zu den Ökosystemleistungen zählen alle Leistungen, die Ökosystemen für uns bereitstellen. Ein Apfelbaum ist ein gutes Beispiel hierfür, da er gleich mehrere Ökosystemleistungen miteinander vereint: er liefert uns nicht nur Rohstoffe wie Äpfel oder Holz und spendet im Sommer erholsamen Schatten – es passieren auch viele Dinge, die wir auf den ersten Blick nicht mitbekommen. Dazu zählen unter anderem die Speicherung von CO2, das Filtern von Luft und Wasser, aber auch unterstützende Leistungen wie Photosynthese, Bodenbildung und die Aufrechterhaltung lokaler Nährstoffkreisläufe.

Durch den Verlust von Biodiversität und gesunden Ökosystemen sind auch die für uns überlebenswichtigen Ökosystemleistungen in Gefahr. Ein Grund mehr, warum Biologin und Biodiversitätsexpertin Dr. Frauke Fischer öffentlich vor dem Verlust der Biodiversität warnt: „Die Natur verhandelt nicht mit uns. Beim Klimawandel geht es darum, wie wir in Zukunft leben, beim Verlust von Biodiversität und Ökosystemen geht es darum, ob wir in Zukunft noch leben können.“

Je biodiverser, desto schützenswerter?

Bislang wurden solche Projekte zum Schutz der Biodiversität hauptsächlich an den sogenannten „Biodiversitäts-Hotspots“, also Orten mit einer besonders hohen Artenvielfalt, in den Tropen durchgeführt. Dadurch stellt sich unweigerlich die Frage: Können Projekte im biodiversitätsärmeren Deutschland überhaupt im notwendigen Maße dazu beitragen, die globale Biodiversität zu schützen? Wie Dr. Fischer erklärt, ist die Annahme „je biodiverser, desto schützenswerter“ aufgrund der Komplexität von Biodiversität zu kurz gedacht. Denn es ist nicht nur relevant das möglichst viele, sondern auch einzigartige Arten und Ökosysteme geschützt werden – und dies an jedem Ort der Erde. In Deutschland liegt eines dieser besonderen Ökosysteme direkt vor unserer Küste. „Im Vergleich zu einem Tropenwald in Peru, ist das Wattenmeer relativ artenarm.  Trotzdem hat Deutschland eine besondere Verantwortung, das Wattenmeer zu schützen – eben, weil es als Ökosystem mit seiner Flora und Fauna einmalig ist.“ Gleiches gilt der Biologin zufolge auch für den Rotmilan und die Rotbuche, da das Hauptverbreitungsgebiet dieser Arten auf deutschen Boden liegt und wir damit eine besondere Verantwortung für diese Arten tragen. Beispiele wie diese zeigen: auch bei uns muss die landesübliche Biodiversität geschützt werden, eben weil dieser Verlust nicht an anderer Stelle kompensiert werden kann.  

Biodiversität fördern – lokal vor der eigenen Haustür

Biodiversität

Bei diesem Projekt in Mecklenburg-Vorpommern renaturiert green account eine ehemalige Moorfläche, die vor Jahrzehnten durch Entwässerungsgräben (auf dem Bild zu sehen) trockengelegt wurde. (Foto: green account GmbH)

Ein Lösungsansatz, um die lokale Biodiversität hier in Deutschland zu fördern, bietet das Startup green account durch das Aufwerten von Naturräumen. Dafür werden heimische und biodiversitätsarme Flächen wie Ackerland zu hochwertigen und artenreichen Mooren, Streuobstwiesen oder Feldhecken umgebaut. Aber auch Erst- und Umbauaufforstungen für biodiverse Waldstücke zählen zu den Projekten. Green account setzt dabei auf die Kooperation zwischen Landeigentümern und Firmen, die auf freiwilliger Basis oder im Rahmen von Kompensationsauflagen, beispielsweise durch Bauvorhaben, in diese Flächen investieren. „Immer wieder sprechen wir mit Landwirtinnen und Landwirten, die Teile ihrer Flächen, wie beispielsweise schlecht zu bewirtschaftende Standorte, dem Naturschutz widmen möchten. Die notwendigen finanziellen Mittel für Stilllegung sowie Aufwertung der Flächen gibt es von Unternehmen, die einen Beitrag leisten möchten oder müssen. Bisher haben wir mit dieser Zusammenarbeit aller Parteien nur positive Erfahrungen gemacht“ berichtet Trutz von der Trenck. Das Ziel dieser Projekte: Flächen werden der Natur zurückgegeben und mittels biodiversitätsfördernder Maßnahmen in hochwertige Biotope und Lebensräume für Tier- und Pflanzenarten umgewandelt. Die Bedeutung dieser Art von Naturprojekten sieht auch Dr. Frauke Fischer, die mit der Arbeit des Startups vertraut ist: „Renaturierungsmaßnahmen die Biodiversität fördern, sind eines der größten Potenziale für den Biodiversitätsschutz in Deutschland. Indem Flächen aufgewertet werden, geben wir Arten Lebensräume zurück, können so deren Populationen ansteigen lassen, genetische Vielfalt steigern und damit das Aussterberisiko reduzieren.

CSRD, ESG – Biodiversität auch für Unternehmen immer wichtiger

Trutz von der Trenck

Trutz von der Trenck

Mit Einführung der EU-Richtlinie Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sind viele Unternehmen ab 2025 jährlich dazu verpflichtet, detailliert offenzulegen und zu berichten, dass und wie sie sich für Sozial- und Umweltbelange wie die Biodiversität einsetzen. Diese Verpflichtung schließt insbesondere börsennotierte Unternehmen sowie Unternehmen von öffentlichem Interesse (dazu gehören beispielsweise Banken, Energieversorger und Versicherungen) mit ein. Aber auch darüber hinaus wächst das Bewusstsein in der Wirtschaft, über das eigene Engagement in puncto Nachhaltigkeit zu berichten und nach außen zu tragen. Wie Trutz von der Trenck erzählt, liegt für viele Unternehmen dabei der Schlüssel im lokalen Bezug: „Insbesondere nach der medialen Berichterstattung über CO2 Zertifikate im vergangenen Jahr sind viele verunsichert, ob ihre Investitionen wirklich da ankommen, wo sie benötigt werden. Die Möglichkeit, quasi vor der eigenen Haustür Biotope zu renaturieren, die man im Zweifel selbst besuchen könnte, bringt die benötigte Sicherheit.“

Biodiversität im eigenen Garten fördern

Aber nicht nur im Großen kann Biodiversität gefördert werden – auch die kleinen Veränderungen im eigenen Umfeld können sich positiv auswirken. Gärten und Balkone beispielsweise lassen sich ohne viel Aufwand zu natürlichen Lebensräumen für Tiere und Pflanzen umgestalten. Dafür ist wichtig, auf heimische Pflanzen- und Saatsorten zurückzugreifen, “Wildwuchs“ zuzulassen und auf den Einsatz von Mährobotern und Laubbläser zu verzichten. Und natürlich gibt die Möglichkeit, sich beispielsweise durch die Mitarbeit in lokalen Naturschutzprojekten oder Gemeinschaftsgärten zu engagieren. (1045W)

Quellen: green account GmbH, Dr. Frauke Fischer, Bilder: green account GmbH, Dr. Frauke Fischer, Text: Lara Kook, Nina Winter-Labinsky