Wasser bald in Chicorée-Flaschen?
Plastik soll nachhaltiger werden und Erdöl passt da nicht ins Bild. Stattdessen forschen Wissenschaftler, wie man das Erdöl durch nachwachsende Rohstoffe ersetzen könnte. Nach Fruchtzucker haben sich jetzt die Abfälle von Chicorée-Salat als besonders wertvoll herausgestellt.
Plastik ist ein Leichtgewicht und schützt Lebensmittel und andere Produkte zuverlässig vor Umwelteinflüssen. Die Schattenseite: Plastik verseucht Flüsse und Ozeane, verschandelt die Natur, lässt Tiere verenden und ist gesundheitsschädigend. Seinen Plastikmüll zu reduzieren kann jeder, doch gänzlich und in allen Situationen auf ihn zu verzichten, wird wohl kaum möglich sein. Nicht zuletzt weil Erdöl ein endlicher Rohstoff ist, müssen wir sparsam mit ihm umgehen und uns nach nachhaltigen Alternativen umschauen. Wissenschaftler an der Universität Hohenheim in Stuttgart haben jetzt einen Rohstoff gefunden, der Erdöl den Rang ablaufen könnte: Chicorée-Salat.
Dilemma: Plastik aus Fruchtzucker
Schon seit Jahren versuchen Forscher, Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen. In einem früheren Forschungsprojekt gelang es den Wissenschaftlern, Hydroxymethylfurfural (HMF), einen der Basisstoffe in der Kunststoffindustrie der Zukunft, aus Fruchtzucker zu gewinnen. Der Nachteil: Fruchtzucker kann man essen und angesichts der sowieso schon herrschenden Ungerechtigkeit bei der Verteilung von Lebensmitteln stellt sich die Frage, ob wir diese zweckentfremden dürfen, um unseren Plastikbedarf zu decken.
Kunststoff aus Chicorée-Abfällen
Für die Herstellung von HMF aus Chicorée-Salat werden jedoch nur die Wurzelrüben benötigt, die rund 30% der Pflanze ausmachen und die bisher nach der Ernte des Salats in Kompostierungs- oder Biogasanlagen entsorgt werden, da aus ihnen nur einmal Chicorée wächst. Circa 800.000 Tonnen dieses Abfalls fallen jedes Jahr in Europa bei der Produktion des Salats an – eine große Menge Rohstoff, den man besser nutzen könnte, vor allem da HMF auch in finanzieller Hinsicht viel wertvoller als Biogas ist.
HMF, ein kristallines Pulver, stellt eine von 12 Basischemikalien dar, die in der Kunststoffindustrie von morgen verwendet werden. Es ist Ausgangsstoff für Nylon, Perlon, Polyeste und sogenannten PEF-Kunststoffflaschen. Das HMF aus Wurzelrüben ist außerdem eine höherwertige Chemikalie als das Pendant aus Erdöl. PEF-Flaschen aus Wurzelrüben-HMF können zum Beispiel dünner gezogen werden als konventionelle PET-Flaschen. Dadurch können Transportkosten reduziert und die Umweltbilanz verbessert werden.
Herausforderungen bei der Herstellung
Tragen wir also schön nächsten Herbst alle Chicorée-Nylonstrümpfe? Wahrscheinlich (noch) nicht. Eine Herausforderung stellt noch die Qualität des Gemüses dar. Zwar führen die Qualitätsansprüche des Verbrauchers an den zu verzehrenden Chicorée dazu, dass die Kunststoffindustrie vergleichsweise einheitliche und hochwertige Wurzelrüben erhält, doch da Chicorée ein Saisongemüse ist, müssen Mittel und Wege gefunden werden, wie man die Wurzelrüben ohne Qualitätsverlust lagern kann. Nur so kann eine kontinuierliche Auslastung der Produktionsanlagen erreicht werden.
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Quelle: Universität Hohenheim; Bilder: Universität Hohenheim; Autor: kle
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