© Institut für Archäologien, Universität Innsbruck / B. Nutz
Mittelalter-BH: Sensationeller Fund revolutioniert Mode-Geschichte
Einen spektakulärer Fund durch Innsbrucker Archäologen in Schloss Lengberg, Osttirol, scheint die Geschichte der Mode entscheidend umzuschreiben. Bei umfangreichen Renovierungsmaßnahmen des alten Schlosses stießen die Forscher unter dem alten Holzboden auf mehr als 2.700 Kleidungsstücke. Darunter auch 4 Büstenhalter offensichtlich aus dem 15. Jahrhundert. Ein Kleidungsstück, das bis dato dem 19. Jahrhundert zugesprochen wurde.
„Die Textilien wurden gemeinsam mit anderen Objekten, meist aus organischem Material, wie Schuhe aus Leder, als Füllmaterial verwendet“, erklärt Beatrix Nutz, die die Textilien im Rahmen ihrer Dissertation bearbeitet. „Schriftliche Quellen lassen uns annehmen, dass das meiste Füllmaterial im Zuge einer Aufstockung zur dreigeschossigen Anlage zur Niveauangleichung des Bodens in die Gewölbezwickel gebracht wurde.“ Das Besondere an dem Fund, die vier leinenen Textilien ähneln auf frappierende Weise modernen BHs. Bisher wurde angenommen, das es BHs im Mittelalter nicht gab und erst seit der Patentanmeldung im ausgehenden 19. Jahrhundert.
Der erste moderne Büstenhalter wurde erst 1889 von der Französin Herminie Cadolle patentiert; zwei Jahre später von einem deutschen Produzenten. Das der BH nun über 500 Jahre älter ist, sei eine Sensation, die man so nicht erwarten konnte. „Mittelalterliche schriftliche Quellen äußern sich eher vage über das Thema, manchmal werden ‚Taschen für die Brüste’ oder ‚Hemden mit Säcken’ erwähnt“, erklärt Beatrix Nutz. „Andere Quellen erwähnen nur Brustbänder, um übergroße Brüste an den Körper zu binden.“
Die dem heutigen BH nicht unähnlichen leinenen Mittelalter-BHs konnten sogar in ihrer Größe bemessen werden. So waren, neben einem Modell für die zierliche Frau, drei BHs in heutiger Körbchengröße C unter den Fundstücken, die dank der Radio-Carbon-Methode als tatsächlich 600 Jahre alte Fundstücke belegt werden konnten. Der Schnitt kann mit dem Longline-BH der 50’er Jahre verglichen werden.
Das war die knappe Männerunterwäsche des 15. Jahrhunderts, so wie sie bereits Albrecht Dürer in einem Bild festgehalten hatte. Bis zu diesem wurde noch kein Original dieser tangagleichen Unterwäsche gefunden. © Institut für Archäologien, Universität Innsbruck / B. Nutz
Doch, auch Männerkleidung wurde gefunden: „Eine vollständig erhaltene leinene Unterhose, das Fragment einer zweiten und ein Textilfragment aus roter und blauer Wolle, das sich als Hosenlatz herausstellte, wurden von Männern getragen“, erklärt Beatrix Nutz. Unterhosen, gerade mit diesem knappen Schnitt wurden zu dieser Zeit übrigens nur von Männern angezogen. Glichen die Vorgängermodelle noch eher den heutigen Boxershorts, so wurde Männerunterwäsche knapper und knapper. Der Grund: Die Hosenmode hatte sich geändert und das männliche Beinkleid wurde körpernah geschnitten.
Das dieser Fund gelang ist sensationell. Der Grund: Die dünnen Stoffe, erst recht bei körpernah getragener Kleidung, kann so eine lange Zeitspanne von 500 Jahren nur unter den dortigen, speziellen Bedingungen überhaupt überdauern.
Bei Frauen war es damals übrigens verpönt, Hosen in jeglicher Form zu tragen. Denn damals hatte ganz offensichtlich der Mann die sprichwörtlichen „Hosen an“.
Quelle: Universität Innsbruck, Text: Jürgen Rösemeier
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