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Schafft die Bewerbungsschreiben ab!
Bewerbung: Zeugnisse und Lebenslauf reichen aus

Schafft die Bewerbungsschreiben ab!

Die Deutsche Bahn will bei Bewerbungen von Schülern künftig auf das Anschreiben verzichten. Gut so. Denn das braucht sowieso niemand. Ein Kommentar

Die Deutsche Bahn hat angekündigt, bei Bewerbungen von potenziellen Auszubildenden künftig auf das An- bzw. Bewerbungsschreiben zu verzichten. Damit soll es vor allem Schülern erleichtert werden, sich bei dem Konzern zu bewerben; künftig sollen sie nur noch Lebenslauf und Zeugnisse auf einer Bewerbungs-Plattform hochladen müssen.

Gut so. Denn Bewerbungsschreiben braucht niemand, erst recht keine Personaler. Und erst recht sollte man sie keinen Schülern aufdrücken. Ich selbst schreibe jeden Tag Texte und behaupte einmal, das ganz gut und sicher und von Zeit zu Zeit auch relativ kreativ zu können. Aber Anschreiben bei einer Bewerbung sind und bleiben die größte textliche Herausforderung meiner Karriere.

Aber von meinen persönlichen Leiden einmal abgesehen, darf man nicht vergessen: Bei der Nachricht der Bahn geht es vor allem um die Bewerbungen bei Azubis, also Schüler, die vor Gericht oft noch wie Kinder behandelt werden. Natürlich werden die von Anschreiben gestresst und abgeschreckt.

All die Tipps im Netz helfen auch nicht wirklich, denn es heißt immer nur: Sei kreativ! Natürlich will und soll man sich abheben. Nur läuft das meistens auf einen zwanghaften Einfallsreichtum hinaus, der nicht selten auch ziemlich krampfhaft rüberkommt. Man spürt die Fremdscham schon beim Schreiben.

Niemand will das lesen – erst recht keine Personaler

Niemand will das lesen – erst recht keine Personaler

Inzwischen kenne ich die Fremdscham auch vom Lesen von Bewerbungen. Auch da zeigt sich: Im besten Fall sind Anschreiben einmal wirklich kreativ, packend, erhellend und das alles natürlicherweise so. Generell zwingt man aber die Bewerber, sich selbst unangenehm abzufeiern. Da wird selbst der zweiwöchige Ferienjob vor fünf Jahren zu einer lebensprägenden Erfahrung, bei der man so viel Selbstständigkeit und im Umgang mit Menschen gelernt hat, von all den fachlichen Kenntnissen in X und Y, die man sich angeeignet hat … ihr merkt es selbst: Das will niemand lesen.

Natürlich gibt es Jobs, in denen Menschen schreiben können müssen. Dafür gibt es aber Arbeitsproben oder kleine Aufgaben in einem Bewerbungsgespräch (gibt es eigentlich noch „Assessment Center“?). Denn ob ein Anschreiben wirklich vom Bewerber selbst stammt, lässt sich ohne massiven Eingriff in die Privatsphäre auch nicht sicher sagen. Wer sich erfolgreich irgendwo bewerben will, fragt doch auf jeden Fall Freunde und Familie: Kannst du da noch einmal drüberlesen? Und im besten Fall hat man irgendwo eine gewitzte und eloquente Person sitzen, die einem das Ding fast komplett schreibt.

Ohne Anschreiben mehr Fairness

Letztlich sorgen Bewerbungen ohne Anschreiben also für mehr Fairness, weil die eigentlichen Leistungen stärker in den Vordergrund rücken. Wie aussagekräftig und fair diese schulischen Leistungen wiederum sind, ist eine völlig andere Diskussion.

Bleibt also nur noch ein Argument für Bewerbungsschreiben: die Motivation, immerhin werden sie oft auch „Motivationsschreiben“ genannt. Da bringt es Carola Hennemann, Personalerin bei der Bahn, auf den Punkt: „Wir prüfen die Motivation der Bewerber sowieso nochmal in einem Gespräch ab.“

Personaler sollten sich sowieso stärker auf Bewerbungsgespräche konzentrieren und diese vor allem strukturierter angehen. Denn da merkt man erst wirklich, wie sehr die Person gegenüber wirklich motiviert ist. Man merkt recht schnell, ob sie sich mit dem Unternehmen und der Stelle auseinandergesetzt hat oder ob es bloß eine Bewerbung unter vielen ist.

Legt mehr Wert auf das Bewerbungsgespräch

Bewerbungsgespräch

Im Kern gibt es bei Bewerbern drei Dinge, die sie mitbringen müssen: eine fachliche, professionelle Eignung; eine Persönlichkeit, die zur Stelle und den Anforderungen passt; und drittens müssen sie ins Team passen. Für Punkt 1 ist das Anschreiben völlig unerheblich, da zählen Lebenslauf und praktische Erfahrung, beispielsweise in der Form von Arbeitsproben oder -zeugnissen. Wenn man da noch daran zweifelt, kann man das wie gesagt in einem Assessment Center abfragen.

Die beiden anderen Punkte lassen sich auch erst bei diesem persönlichen Kennenlernen überprüfen. Zudem gibt es noch die Option eines Probearbeitens. Unternehmen müssen endlich aufhören, so zu tun, als wollten alle Bewerber etwas von ihnen und nicht umgekehrt. Es gibt zwar Firmen (Grüße an Google und Co.) und Branchen (Grüße an alle, die irgendwas mit Medien machen), die sich vor Bewerbern kaum retten können. Das wird aber nicht immer so sein.

Kurz gesagt: Bewerbungsschreiben abzuschaffen senkt tatsächlich die Hürden für Bewerber. Unternehmen erschließen sich damit also auch einen größeren Bewerberpool. Die eigentliche Arbeit für die Personaler passiert dann – wie sie es heute auch schon sollte– sowieso im persönlichen Gespräch.

Quellen: Bilder: Depositphotos/stockasso, racorn, Text: red

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