„Wildniswissen – die Sprache der Natur verstehen – Zeigerpflanzen, Wetterpflanzen, 300 Rezepte“
„Die Natur ist ein Brief der Erde an uns Menschen, den wir nur zu lesen/zu verstehen brauchen“, lautet eine alte Weisheit. Sobald das Lungenkraut verblüht ist, ist es Zeit die Birkenblätter zu ernten, „wenn Ackerveilchen Blüten tragen, Weißdorn blüht in den Hagen, lieber Bauer jetzt gib acht, die Leinsaat, die gehört ausgebracht“.
Die Walderdbeeren finden wir in der Natur sobald die Holunderblüte vorbei ist, den Sarnikel graben wir, sobald der rote Holunder reif ist, sobald das Leberblümchen verblüht ist, ist es Zeit im Garten den Zwiebel zu stupfen – das Naturjahr in sich selbst lesen zu lernen, zu verstehen wir früher lebenswichtig. Heute ist es für uns spannend und wertvoll, die Natur abseits des Kalenders zu verstehen und unser Natur- und Gartenjahr im Tempo des jeweiligen Jahres zu leben. Es ist spannend, Wettertendenzen, Himmelsrichtungen oder an welchen Stellen in der Wiese wir nasse Füße bekommen an der Natur selbst abzulesen.
Wie erkennen wir Wettertendenzen an den Pflanzen?
Hat die Wiesenglockenblume ihre Blüten geöffnet und dem Himmel entgegengestreckt, bleibt das Wetter schön und trocken. Schließen die Gänseblümchen vormittags ihre Blüten, ist Regen im Anzug. Senkt sie tagsüber ihre Blüten Richtung Erde und schließt sie, ist Gewitter oder Starkregen im Anzug. „Riechen Birken oder Linden, wird die Sonne bald verschwinden und es kommt, wie es kommen muss, bald ein dicker Regenguss.“
Himmelsrichtungen an der Natur ablesen
Im freien Gelände zeigt uns Moosbewuchs die nördliche Himmelsrichtung an.
Pflanzen die uns in den Wiesen feucht, nasse Stellen anzeigen
Pflanzen, die gerne in feuchten Wiesen oder Uferzonen wachsen, sind Trollblume, Baldrian, Beinwell, Blutweiderich, Fingerkraut, Gilbweiderich, Weidenröschen, Kalmus, Pappeln, Weiden und Erlen.
Trollblumen sind Zeigerpflanzen für feucht, nasse Stellen in Wiesen
Pflanzen die trockene Böden anzeigen
Die Fetthenne zeigt trockene Böden an
Trockene Böden zeigen uns Steinklee, Königskerze, Johanniskraut, Thymian, Küchenschelle, Fetthenne, Labkraut und Mittelwegerich an.
Die Jahreszeiten wissen wir zwar laut unserem Kalender, jedoch hat jedes Pflanzenjahr sein eigenes Tempo abseits unseres Kalenders. Wir können es an der Natur selbst erkennen. Die Holunderblüte zeigt den Frühsommer an, die reifen Früchte den Frühherbst, die Rosenblüten zeigen den Sommerbeginn an und ihre reifen Früchte den Winterbeginn.
Woran erkennen wir dass der Herbst beginnt?
„Tut der Herrgott die Farbe in die schwarzen Himbeeren (Brombeeren) geben, Spinnenfäden durch die Wiesen schweben, Nebelschwaden sich zum Sonnenaufgang an den Flüssen erheben, dann tust du gerade den Herbstbeginn erleben…“ Sobald der Kohlweißling unsere Kohlgewächse scheinbar über Nacht frisst, sind wir im Frühherbst angekommen. An feuchten Orten können wir gerade die Paarungsspiele der Weinbergschnecken beobachten, das tiefe, hallende Röhren der Hirsche ertönt vom Waldrand, die Spinnentiere sind besonders aktiv, wir können die Fledermäuse bei ihren Paarungsflügen beobachten. Entdecke die violetten Blüten der Herbstzeitlose. Der Holunder zeigt uns seine schwarzen Früchte, die ersten Brombeeren sind reif, die rotorangene Eberesche leuchtet uns am Waldrand entgegen. Sobald die Kastanien auf den Bäumen reifen, geht der Frühherbst in den Herbst über.
Die Brombeere – für die Stimme der Sänger und „Wildbienenhotel“
„Der schwarzen Stachelbeere (Brombeere) erweise stets die höchste Ehre, ob Rinde, Beere, Blatt und Blüte, vor vielerlei Unheil sie dich behüte.“
Eine Tochter eines Schmiedes erinnert sich an die Worte ihrer Mutter: „Gretl, geh bitteschön zum Wald hinauf und hole mir für den Großvater die Blätter der schwarzen Stachelbeere. Von den schwarzen nimmst du sie, nicht von den roten!“ Damit waren die Brombeeren gemeint. Der Großvater war einst von einem Pferd schwer verletzt worden und war nun bettlägerig. Damit der Rücken nicht offen wurde, verwendete die Mutter Brombeerblätter.
Brombeeren – wie Weinblätter gegessen
Die jungen Brombeerblätter in Essig und Öl gelegt können wie Weinblätter gegessen werden.
Brombeerblätter für das Zahnfleisch
Bei Zahnfleischentzündungen kaut man frische Brombeerblätter möglichst lange.
Brombeerfrüchte in Honig bei Husten und Erkältung
Die Brombeeren ernten, einen Tag trocknen lassen, in ein Glas ein wenig Honig gießen, darauf die Brombeeren geben und mit Honig übergießen, bis alle Teile bedeckt sind. Bei Husten oder Erkältung diesen Brombeerhonig löffelweise essen.
Brombeeren für den Darm
Bei Verdauungsproblemen getrocknete Brombeeren langsam kauen.
Brombeerwurzel-Wein für Blase, Niere
Eine Kaffeetasse voll Seitenwurzeln der Brombeere ausgraben, reinigen, waschen und in kleine Stücke schneiden. 1 Liter Weißwein auf dem Herd erwärmen, die Wurzeln hinzugeben und bei mittlerer Hitze 20 Minuten auf dem Herd lassen. Danach abseihen, in Flaschen füllen und täglich 1 Schnapsglas (2 cl) davon trinken.
In ihrem neuen Buch „Wildniswissen: Zeigerpflanzen, Wetterpflanzen und 300 alte Rezepte“ erzählt die Kräuterpädagogin, Gesundheitsstadträtin und Lehrgangsleiterin „Diplomierter Wildkräutertrainer“ Eunike Grahofer, was Pflanzen über das Klima erzählen, mit welchen Pflanzen der Boden „ausgeheilt“ wurde und über die Besonderheiten der Pioniervegetation. Gegliedert nach dem Naturjahr erzählt sie Geschichten, Besonderheiten und Rezepte von der Knoblauchrauke – dem Pfeffer der armen Leute, vom Lungenkraut und dem beliebten Lungenbier, von der Quecke, der Herbstfrostanzeige und Hustengras, von der Hagebutte – Salbe für die Hautpflege, vom Bartscherersleutblatt, von alten Rezepten wie Kräuterpulver, Samen- und Wurzelverwendungen oder Breiauflagen. Vom Habichtskraut für die Augen über Vogelknöterich zur Körperkräftigung bis hin zum Hagebutte gegen Stress.
Dieses Buch ist auch eine Hommage an das Miteinander, das Verstehen, wie die Natur sich verhält und warum sie was tut. Warum Pflanzen vor der Samenbildung sogenannte „Fraßschutzinhaltsstoffe“ produzieren, warum sie auf Luftfeuchtigkeit reagieren und vieles mehr.
Es gibt unendlich viele Galaxien, unendlich viele Sterne und unendlich viele Planeten im Weltall. Wir dürfen auf dem wundervollsten, schönsten und einzigartigsten von allen leben, sein Wasser trinken, seine Luft atmen, seine Düfte riechen, seinen Boden spüren, seine Farbenpracht bestaunen und seine Pflanzen schmecken. Wir dürfen inmitten dieses Wunderwerkes der verschiedensten Lebensarten ein Glied der ganzen Lebenskette sein, ein Glied, das mit allen anderen Gliedern gemeinsam jenes ausmacht – das Wunderwerk der Erde, das Wunder des gemeinsamen Taktes, des Miteinanders. Mit jeder Tier- oder Pflanzenart, die ausstirbt, fehlt ein Glied in der Kette, zuerst noch unmerklich, doch irgendwann fehlen so viele Glieder, dass jenes Ganze, jenes gemeinsame Wunderwerk sein Leben verliert, zu erkalten droht ... und wir mittendrin …
Wir haben jetzt in diesem Moment gerade die geniale Chance, das Lebewesen Erde mit all seinen Leben darauf zu genießen, zu achten, zu schätzen, uns einzufügen in ein Ganzes, dieses Leben mit allen Sinnen wahrzunehmen, dabei ein Gefühl von tiefer innerer Liebe, von Geborgenheit und Zufriedenheit zu erleben. Wir müssen damit aufhören, im Namen des Materialismus dieses Wunderwerk zu zerstören, damit aufhören, wie Roboter tagein tagaus zu funktionieren, ohne die Umgebung –sei es Natur oder Mensch – wahrzunehmen. Wir haben die einzigartige Chance erhalten, in Gemeinschaft mit Pflanzen und Tieren auf der Erde in einem Miteinander zu LEBEN, in ihrem Takt zu leben – im Takt der Natur und des jeweiligen Jahres!
Quellen: Bilder: Depositphotos/UrosPoteko, fotokris44, nahhan, Arybickii; Foto von Eunike Grahofer: Liane Wöchtl, Text: Eunike Grahofer
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