Buch-Tipp: „Weltretten für Anfänger“ – oder was Gemüse kaufen und Tinder gemeinsam haben
Hafermilch ist ein Glücksfall, die neue Jeans weniger. Um die Gurke in der Plastikhülle muss man kein großes Drama machen, um das PS-starke Statussymbol auf vier Rädern schon. Unsere Erde ist auf dem Weg in die Palliativstation. Deshalb müssen wir etwas tun. Doch das ist gar nicht so einfach und wir stecken immer wieder in einem moralischen Dilemma. Dass wir damit nicht alleine sind, zeigt uns das neue Buch „Weltretten für Anfänger“ von Susanne Fröhlich und Constanze Kleis – und ermutigt uns, dennoch dranzubleiben.
2020 hat der Mensch noch einmal die Chance, das Ruder der globalen Erderwärmung ein wenig rumzureißen. Dafür muss er allerdings ein wenig mehr tun als bisher geplant. Pünktlich zum Jahresbeginn, wenn mal wieder die Zeit der guten Vorsätze anbricht, erscheint dazu passend das neue Buch „Weltretten für Anfänger“ von Susanne Fröhlich und Constanze Kleis.
Und wie auch der Untertitel so schön sagt, handelt es von eben diesen „guten Vorsätzen, miesen CO2- Bilanzen und dem Versuch, ein besserer Mensch zu werden.“ Denn das ist manchmal gar nicht so einfach, wie sich das die beiden Autorinnen, die sich schon im Superhelden-Umhang die Welt retten sahen, vorgestellt haben. Dennoch stellen sich die beiden Frauen dem Thema Nachhaltigkeit im Selbstversuch, zeigen die Probleme auf, haben ganz im Sinne des konstruktiven Journalismus direkt noch ein paar Lösungen parat und ermutigen uns, dass etwas nur gelingen kann, wenn man es zumindest versucht.
Weltretten ist gar nicht so einfach wie es aussieht
Dabei geht es in dem Buch aber nicht um konkrete Anleitungen, wie man sich zum Beispiel Shampoo aus Roggenmehl oder aus Rote-Bete-Saft Knete herstellen lässt, sondern eher um all die Fettnäpfchen und Zwickmühlen, die Hürden und Kämpfe, die man im Alltag überwinden und bestreiten muss.
Denn was ist denn am Ende des Tages nun schlimmer oder besser für die persönliche Klimabilanz, für den eigenen ökologischen Fußabdruck, der verkleinert werden will: Ist es das Einkaufen im Unverpacktladen, den man aber nur mit dem Auto erreichen kann oder die Shoppingtour im Discounter, der fußläufig erreichbar ist? Ist es der Sonntagsbraten aus der biologischen Tierzucht oder das Tofuschnitzel aus konventionell angebauten Sojabohnen? Ist es das ökologisch zertifizierte, dafür aber neue Sonntagskleid oder die H&M-Jeans aus dem Secondhand-Laden? Warum ist es eigentlich so kompliziert, beim Weltretten das Richtige zu tun, fragen sich die Autorinnen und sprechen dabei das Dilemma an, in dem jeder von uns, der sich mit dem Thema schon einmal auseinandergesetzt hat, gesteckt hat.
Auf den ersten Blick ist es bei vielen Produkten und Handlungen fast unmöglich eine klare Entscheidung zu treffen. Wir können nicht wie bei der Datingplattform einfach nach links oder rechts wischen und oft hat man das Gefühl, man habe die Wahl zwischen Pest und Cholera. Doch das hat auch etwas für sich, denn so entwickelt man „eine große Zuneigung für den zweiten Blick“ – was sich dann wiederum positiv auf unseren Konsum auswirkt.
Weltretten für Anfänger: Ein schmaler Grat zwischen Humor und Ernst
So gehen die beiden Autorinnen durch alle alltäglichen Lebensbereiche, in denen der Leser als potenzieller Weltretter immer wieder an seine Grenzen kommt und sich dabei ertappt, wie er mal wieder konsequent inkonsequent ist, wenn die Avocado auf dem Frühstückstisch landet oder das neue Kleid einfach zu gut aussah, sodass man es einfach mitnehmen musste.
Sie erzählen undogmatisch und lebensnah von Situationen, in denen wir im Alltag des Weltrettens beinahe zu scheitern drohen, ziehen Vergleiche an, die auf den ersten Blick so absurd klingen mögen, dann aber auf den zweiten Blick durch ihre absolute Beschaffenheit überzeugen und uns trotz des Ernstes der Lage zum Lachen bringen. So zum Beispiel das Tinderprofil der Salatgurke im Plastikstringtanga – denn die ist besser als ihr Ruf.
Susanne Fröhlich und Constanze Kleis sparen nicht an Humor, selbstkritischem Wortwitz und zugleich einer großen Portion Ernst, womit das Buch manchmal lustig, manchmal erschreckend traurig aber eben immer zukunftsträchtig ist, ohne dabei ein besserwissender Ratgeber zu sein, sondern eher ein gut gemeinter Begleiter für all diejenigen, die ihren Alltag ebenfalls für den Erhalt der Erde auf den Kopf stellen wollen.
„Das bringt doch nichts“ ist was für Feiglinge beim Weltretten
Denn mit dem Weltretten darf nicht länger gewartet werden und deshalb muss jeder von uns etwas tun – jeder so gut er eben auch kann. Das betonen die beiden Frauen immer wieder in ihrem Buch. Sie besänftigen, ohne den Wind aus den Segeln zu nehmen und appellieren zu gleich, trotz allen Schwierigkeiten sich nicht unterkriegen zu lassen und es weiter zu versuchen. Und dass das Weltretten nicht ganz einfach werden würde, man seine Komfortzone verlassen und auch dahingehen muss, wo es wehtut, war ja irgendwie zu erwarten.
Jedes Kapitel wird am Ende mit einem Resümee über den Selbstlerneffekt der Autorinnen sowie ein paar wissenschaftlichen Fakten, die das jeweilige Thema untermauern, abgeschlossen. Und die helfen übrigens dann auch, jedes „Anti-Weltretten-Totschlag-Argument“ aus der Luft zu schlagen.
Fazit: Weltretten für Anfänger ist nicht nur was für Anfänger
Susanne Fröhlich und Constanze Kleis
Das Buch ist gut verständlich, anschaulich geschrieben und eignet sich, trotz mancher harten Fakten, auch als Abendlektüre. Denn „Weltretten für Anfänger“ ist alles andere als ein trockenes Wissenschaftsbuch über den Klimawandel. Nur eines ist nicht auf Anhieb klar: An wen richtet sich das Buch? Denn Menschen, die sich bereits mit der Thematik Klima- und Umweltschutz auf irgendeine Weise beschäftigen, dürften mit den meisten Fakten des Buches schon irgendwie vertraut sein. Und dann gibt es eben noch all diejenigen, die die Augen vor dem Thema verschließen und es lieber den anderen überlassen die Welt zu retten. Diesen Mittelweg, und genau darum geht es aber in dem Buch, den scheinen viele noch nicht gehen zu wollen – entweder radikaler Vollzeit-Öko-Hippie oder kreuzfahrender Vollblutignorant, etwas dazwischen, so in die Richtung, „Ich bin ganz normal und denke über meine Zukunft nach“, gibt es allem Anschein nach selten.
Zumindest bis jetzt, denn vielleicht ändert dieses Buch ja genau das. Aber auch für diejenigen, die sich eher dem Öko- als dem SUV-Fahrer-Dasein zuschreiben, führt „Weltretten für Anfänger“ noch einmal alle Informationen in geballter Form vor Augen. Es erinnert den Leser daran, zu handeln und passend zum neuen Jahr, all die Dinge, die wir sonst gerne aus Bequemlichkeit unter den Teppich kehren oder auf andere abwälzen wollen, anzugehen. Denn ja, das Buch hat etwas Aufrüttelndes, es steht uns zur Seite und die Autorinnen sagen ganz deutlich, es gibt noch mehr Menschen da draußen, die ab und zu beim Weltretten scheitern. Und das ist auch ok so. Vor allem: Es ist kein Grund zum Aufgeben, sondern zum Weitermachen, denn es lässt sich viel Großes auch im Kleinen bewirken.
Über die Autorinnen von „Weltretten für Anfänger“
Susanne Fröhlich ist Schriftstellerin und Journalistin. Sie arbeitet unter anderem beim Hessischen Rundfunk, moderiert die Literatursendung „Fröhlich lesen“ und schreibt Sachbücher sowie den ein oder anderen Roman. Mit ihrem humorvollen Schreibstil und ihrer alltagsrelevanten Themenauswahl, landet sie immer wieder auf den Bestseller-Listen des deutschen Buchmarktes.
Constanze Kleis schreibt als freie Journalistin unter anderem für die FAZ, Donna, myself und freundin. Als Buchautorin veröffentlichte sie neben zahlreichen Gebrauchsanweisungen für Städte und Feste zuletzt das Buch „Sonntag – alles über den Tag, der aus der Reihe tanzt“. Gemeinsam mit Susanne Fröhlich hat sie bereits mehrere Bücher verfasst, in denen den beiden Autorinnen immer ein ganz persönlicher Blick auf die Dinge des Lebens gelingt.
Zu kaufen gibt es das Buch beim Buchhändler deines Vertrauens, beim Verlag oder bei diversen Online-Buchhandlungen.
Quellen: Bilder: Gaby Gerster/Gräfe und Unzer, Depositphotos/IgorVetushko, Text: Lisa Bender
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