Gesund ist, was der Bauch sagt
Im März steht wieder mal der „Tag der gesunden Ernährung“ an. Völliger Quatsch, findet Uwe Knop. Der Ernährungsexperte ist sicher: Gesunde Ernährung ist individuell. Statt auf halbgare pseudowissenschaftliche Thesen sollten wir auf unseren Körper hören! ecowoman hakt nach.
Wer schlank und fit sein will, muss sich gesund ernähren. Oder doch nicht? Und was bedeutet eigentlich „gesund“? Für den Ernährungsexperten Uwe Knop sind diese Fragen nicht so leicht zu beantworten, wie Wissenschaft, Konzerne und Medien uns weismachen wollen. Im Interview verrät der Wissenschaftler und Autor, worauf es beim gesunden Essen wirklich ankommt und – um den Untertitel seines aktuellen Buchs „Ernährungswahn“ zu zitieren – „warum wir keine Angst vorm Essen haben müssen“.
ecowoman: Herr Knop, es gibt mal wieder eine neue Studie, der zufolge pflanzliches Eiweiß gesünder sein soll als tierisches. Was sagen Sie dazu?
Uwe Knop: „ Mit Ernährungsstudien sollte man generell vorsichtig sein. Am besten schmunzelt man und lässt sich vor allem nicht davon verrückt machen. Denn Ernährungsforschung basiert in der Regel auf sogenannten Beobachtungsstudien und die können lediglich statistische Zusammenhänge, also Korrelationen aufzeigen. Doch sie liefern niemals Beweise für Ursache-Wirkungs-Beziehungen, also Kausalitäten, sodass sich aus ihnen allerhöchstens vage Hypothesen ableiten lassen. Und diese in klinischer Forschung zu überprüfen ist unmöglich, das kann die Ernährungswissenschaft schlicht und einfach nicht leisten. Provokativ könnte man sagen, dass wir uns hier eher auf dem Niveau modernen Glaskugellesens befinden.“
ecowoman: Am 7. März ist „Tag der gesunden Ernährung“. Wie sieht denn Ihrer Meinung nach eine gesunde Ernährung überhaupt aus?
Uwe Knop: „Ich halte den „Tag der gesunden Ernährung“ vor allem für eines, nämlich für postfaktisch. Es handelt sich um ein Thema, bei dem Glaube und gefühlte Realitäten über Evidenz, Wissen und gesicherte Fakten dominieren. Es gibt bis heute keine Beweise für gesunde Ernährung und solche wird die Forschung uns auch in Zukunft nicht liefern können. Es weiß also im Grunde niemand, was gesunde Ernährung sein soll. Deshalb ist ein „Tag der gesunden Ernährung“ per se Quatsch. Wenn aber jeder diesen Tag für sich selbst genießt, kann er dennoch sinnvoll sein. Jeder Mensch hat nämlich eine ganz eigene gesunde Ernährung und jeder sollte seinen persönlichen Weg finden, ohne sich von vermeintlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen verunsichern zu lassen. Es gibt keine allgemeingültigen Fakten, Essen ist absolut individuell!“
Der Ernährungswissenschaftler Uwe Knop hält den Tag der gesunden Ernährung für Quatsch.
ecowoman: Geht es hier um die Kulinarische Körperintelligenz, die Sie in Ihrem Buch „Ernährungswahn – Warum wir keine Angst vorm Essen haben müssen“ ansprechen? Erklären Sie uns den Begriff bitte einmal.
Uwe Knop: „Genau darum geht es. Die Kulinarische Körperintelligenz beschreibt das immer absolut individuelle Wissen des eigenen Köpers zum Wert von Nahrung. Warum schmeckt jemandem das eine Nahrungsmittel und ein anderes nicht? Ganz einfach: Weil der Körper die Nahrung kennt und einschätzen kann. Natürlich gibt es auch für die Existenz der Kulinarischen Körperintelligenz keinen wissenschaftlichen Beweis. Es handelt sich um eine Begriffskreation, mit der ich an den gesunden Menschenverstand appellieren möchte. Denn wer außer Ihrem Körper sollte wissen und entscheiden, wie für Sie persönlich eine gute und gesunde Ernährung aussieht? Ich finde, niemand.“
ecowoman: Klingt gut. Bedeutet das, dass das Geheimnis für Gesundheit und Attraktivität im intuitiven Essen liegt?
Uwe Knop: „Wer das „Geheimnis für Gesundheit und Attraktivität“ kennt, der wird der nächste Gesundheits-Guru! Attraktivität liegt doch im bekanntlich im Auge des Betrachters. Und warum jemand gesund ist, ist abhängig von vielen ganz individuellen Lebensstilfaktoren, die noch dazu auf komplexe Art und Weise miteinander vernetzt sind. Da spielen die Gene genauso eine Rolle wie der gesellschaftliche und finanzielle Status, der Bildungsgrad, das private und berufliche Stresslevel, die Umwelt und die sexuelle und generelle Zufriedenheit. Und natürlich hat auch die Ernährung damit zu tun. Das wichtigste ist zunächst einmal, dass der Nährstoffbedarf gedeckt ist, was hierzulande der Fall ist, wovon die Menschen in anderen Regionen der Welt aber nur träumen können. Was sicherlich zu mehr Zufriedenheit und Wohlbefinden und damit auch zu einer besseren Gesundheit beiträgt, ist, wenn man in dem Schlaraffenland, in dem wir uns befinden, intuitiv isst. Das bedeutet, dass man auf seinen Körper hört und nur dann etwas isst, wenn man wirklich Hunger hat.“
Wer intuitiv isst und auf sein Bauchgefühl hört, ernährt sich automatisch gesund.
ecowoman: Es ist manchmal gar nicht so einfach, auf das Bauchgefühl zu hören. Kann man das trainieren?
Uwe Knop: „Ja, das ist möglich und es ist gar nicht so schwierig. Das Geheimnis ist, wirklich nur dann zu essen, wenn man den körperlich-biologischen Hunger spürt und nur das, worauf man instinktiv Lust hat, was schmeckt und was man erfahrungsgemäß gut verträgt. Der Hunger ist das wichtigste Element. Je mehr Hunger wir haben, desto köstlicher schmeckt das Essen – diese Erfahrung hat sicher jeder schon einmal gemacht. Wer es nicht kennt, sollte seinen Hunger wieder kennenlernen. Auch das ist eigentlich ganz einfach: Sind Sie unsicher, ob Sie wirklich Hunger haben oder ob etwa das Frühstück morgens nur Routine oder der „Gesundheitspropaganda“ geschuldet ist? Essen Sie einfach mal nichts! Und zwar so lange, bis sie wieder richtig Hunger haben. Das werden Sie garantiert! Denn ohne Essen sterben wir und das wird unser Körper mit absolut evolutionsbiologischer Sicherheit nicht zulassen, sondern ihnen signalisieren, dass er Nahrung braucht. Das nennt man Hunger. Guten Appetit!“
Uwe Knop, Ernährungswahn - Warum wir keine Angst vorm Essen haben müssen.
Originalausgabe, 180 Seiten, 978-3-499-63149-8, rororo
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Quellen: medicalpress.de, Bilder: medicalpress.de, Depositphotos/ Slphotography, Text: Ronja Kieffer