Wo kommt das Fleisch auf meinem Teller wirklich her?
Haltungskennzeichen des Handels, von Bio-Verbänden und auch bald ein neues staatliches Label sollen beim Kauf von Fleisch und tierischen Produkten Transparenz für den Verbraucher schaffen. Aber kann man sich wirklich auf sie verlassen oder gibt es damit Problem?
Wie vermeide ich unnötiges Tierleid?
Fleischkonsum steht immer wieder in der Kritik, weil schlechte und nicht artgerechte Haltungsbedingungen häufig großen Schaden bei den Tieren anrichten. Zu wenig Platz, zu wenig Auslauf und ein schlechter gesundheitlicher Zustand führt zu Tierleid, welches wir mit dem Kauf von günstigem Fleisch möglicherweise auch noch unterstützen. Um das zu vermeiden, ist es wichtig auf die Herkunft der gekauften Produkte zu achten. So können wir Fleisch von Tieren kaufen, welche mehr Platz und ein artgerechteres Leben hatten, wenn wir schon nicht ganz darauf verzichten. Es ist für uns Verbraucher aber oft nicht ganz einfach zu erkennen, wie genau die Tiere vor der Schlachtung gelebt haben. Deswegen gibt es bereits seit April 2019 das 4-stufige Label des Handels, welches anzeigen soll, unter welchen Bedingungen Schweine, Rinder und Co. aufgewachsen sind. Bei Produkten und Supermärkten oder Discountern wie Aldi, Lidl oder Edeka finden sich die Kennzeichnungen meist auf den Verpackungen uns stammen meistens von der Initiative Tierwohl.
Die Initiative Tierwohl ist die größte Plattform dieser Art in Deutschland. Sie besteht aus einer Partnerschaft aus Landwirtschaft, Fleischwirtschaft, Lebensmittelhandel und Gastronomie. Im Bereich Lebensmittelhandel beteiligen sich große Supermarkt- und Discounterketten wie Aldi, Lidl, Edeka, Kaufland, Netto, Penny und Rewe. Die Initiative wurde 2015 als Förderprogramm für mehr Tierwohl ins Leben gerufen. Sie will bessere Haltungsbedingungen von Nutztieren umsetzten, und zwar über gesetzliche Standards hinaus.
Dafür stehen die jeweiligen Stufen der Initiative Tierwohl:
Rot: Haltungsform 1 Stallhaltung
Bei der Haltungsform 1 werden Schweine, Hähnchen und Kaninchen nach den gesetzlichen Mindeststandards gehalten. Bei Pute, Mast- und Milchrindern sowie Enten bedeutet die Stufe 1, dass sie nach branchenüblichen Standards gehalten wurden. Hier gibt es nämlich keine gesetzlichen Haltungsvorschriften. Außerdem müssen die Tierhaltungsbetriebe als Qualitätssicherungsprogrammen teilnehmen, um die Einhaltung der Vorgaben zu garantieren.
Blau: Haltungsform 2 Stallhaltung Plus
Tiere haben bei der Haltungsform 2 schon mehr Platz im Stall als bei Haltungsform 1. Beim Schwein sind es beispielsweise 10 Prozent mehr und es gibt auch noch Beschäftigungsmaterial für die Tiere. Davon ausgenommen sind nur Pekingenten und Milchkühe. Enten haben in der zweiten Stufe mehr Tageslicht und Kühe dürfen nirgendwo angebunden sein, sondern haben Bewegungsfreiheit.
Orange: Haltungsform 3 Außenklima
Hier haben die Tiere Kontakt zum Außenklima, indem sie etwa in einem Stall mit einer nach außen offenen Seite leben. Auch ein überdachter Außenbereich des Stalls ist möglich. Abgesehen von Enten haben die Tiere in der Stufe 3 noch mehr Platz. Schweine verfügen etwa über 40 Prozent mehr Bewegungsraum. Und bei dieser Haltungsform darf kein gentechnisch bearbeitetes Futter verfüttert werden.
Grün: Haltungsform 4 Premium
In der Premium-Haltungsform verfügen die Tiere in den Betrieben über Auslaufmöglichkeiten im Freien und sie besitzen im Vergleich mit den anderen Stufen den meisten Platz im Stall. Auch hier darf nur Futter ohne Gentechnik verfüttert werden. Biofleisch, welches die Anforderungen an die europäische Öko-Verordnung erfüllt, gehört in diese Stufe, aber auch Fleisch aus konventionell erzeugter Haltung findet sich bei dieser Haltungsform. Und zwar dann, wenn alle Anforderungen erfüllt werden.
Dazu haben sich Händler verpflichtet
Aldi hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 das Frischfleisch Sortiment vollständig auf die Haltungsformen 3 und 4 umzustellen. Diese Entwicklung soll stufenweise geschehen. Seit 2021 existiert bereits 21 % des Angebots aus Fleisch der Haltungsform 3 und 4. Bis 2025 soll dann im nächsten Schritt auf die Haltungsform 1 verzichtet werden 2026 sollen 33 % des Aldi-Sortiments aus der Haltungsform 3 und 4 stammen.
Edeka möchte in den nächsten Jahren das Fleischsortiment ebenfalls weiterentwickeln. Das Angebot aus den Haltungsformen 3 und 4 soll verdoppelt werden, bis Ende 2026 sollen es mindestens 20 % sein und verschiedene Marken werden ebenfalls auf die Stufe 3 oder höher aufgebaut.
Das muss sich noch verbessern
So hilfreich die Haltungsformkennzeichnungen auf den ersten Blick vielleicht sein können, ganz frei von Kritik sind sie trotzdem nicht. Die Kennzeichnung soll vor allem dazu dienen, mehr Transparenz über die Lebensbedingungen der Tiere zu schaffen. Sie sagen aber nicht unbedingt etwas darüber aus, ob es den Tieren auch wirklich gut ging. Um das zu garantieren, müssten auch gesundheitsbezogene Kriterien berücksichtigt werden. Dazu gehören zu Beispiel Verletzungen oder Organbefunde, die bei der Tierhaltung und in den Schlachthöfen erfasst und ausgewertet werden könnten. Außerdem hat ein Marktcheck der Verbraucherzentrale nach der Einführung der neuen Kennzeichen im Sommer 2019 ergeben, dass es im Handel überwiegend Fleisch aus der Haltungsform eins zu kaufen gibt. Also da, wo lediglich die Mindeststandards erfüllt werden. Hier profitieren Tiere nicht von mehr Platz oder Auslauf an der frischen Luft, sondern verbringen den ganzen Tag im Stall bei nur wenig Platz und Bewegungsmöglichkeiten. Daran hatte sich auch 2021 noch kaum etwas geändert, wie eine Händlerbefragung von Greenpeace zeigte. Die Haltungsformen drei und vier, bei denen die Tiere am meisten Platz haben, sind viel zu selten in den Fleischabteilungen der Supermärkte zu finden. Tiere, welche für die Fleischproduktion gehalten werden, haben aber nur etwas von den Kennzeichnungen, wenn die Haltungsbedienungen an die höheren und besseren Stufen angepasst werden.
Welche Siegel existieren noch?
Neben den Haltungsformstufen des Handels und der staatlichen Kennzeichnung existieren auch andere Siegel. Wie zum Beispiel das staatliche EU-Bio-Siegel oder die Siegel von ökologischen Verbänden wie Naturland, Bioland und Demeter. Außerdem gibt es auch das Neuland-Siegel des Vereins Neuland für tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung e. V. Dafür stehen die jeweiligen Siegel:
Bioland, Naturland & Demeter
Bei Hühnern muss es neben dem Stall noch einen Außenklimabereich und eine Freilandfläche für das Geflügel geben. Es darf ausschließlich Bio-Futter gefüttert werden, gentechnisch verändertes Futter ist nicht erlaubt. Das Kürzen der Hühnerschnäbel ist ebenfalls verboten und Antibiotika dürfen nur ausnahmsweise verabreicht werden.
Rinder haben Weidegang oder das ganze Jahr über Auslauf. Das Futter hat zu 100 % Bio-Qualität und darf nicht gentechnisch verändert werden. Kälber dürfen nur ausnahmsweise mit Betäubungsmitteln enthornt werden.
Auch bei der Schweinehaltung haben die Tiere Auslauf und das Futter hat vollständig Bio-Qualität. Ferkel dürfen mit Betäubung kastriert werden, aber das Abschneiden von Ringelschwänzen und die Kürzung von Zähnen ist nicht erlaubt. Bei Bioland und Naturland darf die maximale Dauer für den Transport nur 4 Stunden betragen. Bei Demeter sind keine konkreten Zeiten vorgegeben.
Das EU-Bio-Siegel
Bei Hühnern dürfen es maximal 4800 Tiere pro Stall sein, außerdem gibt es einen Außenbereich. Das Futter hat Bio-Qualität und Schnabelkürzungen sind auch hier nicht routinemäßig erlaubt.
Rinder haben so oft wie möglich Zugang zu Außenflächen und Weideland und sie bekommen nur Bio-Futter. Enthornungen sind auch hier nur ausnahmsweise bei Kälbern möglich.
Schweine haben wie Hühner und Rinder Auslauf und bekommen Bio-Futter. Mit Betäubungs- oder Schmerzmitteln werden Ferkelkastrationen durchgeführt. Schweine dürfen maximal 4 Stunden zur Schlachtung transportiert werden, bei Rindern und Hühnern müssen die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Länger als 8 Stunden darf es hier aber auch nicht dauern.
Neuland-Siegel
Auch bei Neuland dürfen nur maximal 4800 Hühner in einem Stall leben und haben Zugang zu Außenklima. Geflügel darf hier allerdings auch mit konventionellem Futter gefüttert werden, nicht nur mit Bio-Futter. Schnabelkürzungen sind bei diesem Siegel ebenfalls verboten. Rinder haben verbringen mindestens 120 Tage im Jahr auf einer Weide und dürfen auch mit konventionellem Futter gefüttert werden. Gentechnisch verändertes Futter ist allerdings verboten, dasselbe gilt für die Schweinehaltung. Rinder dürfen nur in Ausnahmefällen enthornt werden. Schweine haben bei Neuland das ganze Jahr über Auslauf und Ferkel können nur unter dem Einsatz von Betäubungsmitteln kastriert werden. Antibiotika dürfen nur verabreicht werden, wenn der Tierarzt es als nötig ansieht. Alle Tiere dürfen nur 4 Stunden lang zur Schlachtung transportiert werden.
Was wird sich bald ändern?
Verbraucherschützer fordern schon seit Einführung der Haltungskennzeichen des Handels ein staatliches Tierwohlkennzeichen. Dieses hätte den Vorteil, dass es verbindlicher ist als das der Wirtschaft und einzelner Initiativen und Verbände. Ein solches Zeichen müsste mit seinen Anforderungen auch über den bisherigen gesetzlichen Mindeststandards liegen, um Tierwohl zu verbessern und zu garantieren. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat sich dieses Themas angenommen und möchte ein neues, staatliches Kennzeichen umsetzten. Dieses würde dann für den Verkauf von in Deutschland gehaltenen Tieren im Einzelhandel, bei Bedientheken, im Onlinehandel und auch auf Wochenmärkten gültig sein. Die staatliche Kennzeichnung wird schrittweise eingeführt, angefangen wird dabei mit Schweinefleisch. Zukünftig soll es dann nicht mehr nur vier, sondern sogar fünf verschiedene Stufen für die Haltungsformen geben:
- Haltungsform Stall: Hier entspricht die Haltung bei der Mast lediglich den gesetzlichen Mindestanforderungen. Diese Haltungsform entspricht der Haltungsform 1 der Initiative Tierwohl.
- Haltungsform Stall + Platz: Schweine haben bei dieser Haltungsform 20 % mehr Platz als die gesetzlichen Mindestanforderungen vorgeben. Das sind 10 % mehr als bei Haltungsform 2.
- Haltungsform Frischluftstall: Die Tiere haben in ihrem Stall dauerhaft Kontakt zum Außenklima und 46 % mehr Platz als bei den Mindeststandards, also 6 % mehr als bei Haltungsform 3.
- Haltungsform Auslauf/Freiland: Es muss den ganzen Tag über oder mindestens 8 Stunden lang Auslauf ermöglicht werden, außerdem gibt es 86 % mehr Platz als mindestens gesetzlich vorgeschrieben.
- Haltungsform Bio: Im Vergleich zu den übrigen Haltungsformen haben die Schweine noch mehr Platz und Auslauf und das Fleisch wurde entsprechend der EU-Ökoverordnung produziert, ähnlich wie jetzt schon bei Haltungsform 4.
Das Label soll nach Einführung für Schweinefleisch dann so schnell wie möglich auch auf andere Tierarten, Gastronomie und verarbeitete Produkte erweitert werden. Landwirte sind mit der Einführung der Neuerung dazu verpflichtet, den Behörden die Haltungsform auf den Betrieben mitzuteilen und Änderungen bei der Art der Haltung sofort bekannt zu geben. Wollen die Landwirte mehr für den Schutz und bessere Lebensbedingungen ihrer Tiere tun, sollen sie zukünftig auch vom Staat unterstützt werden. Das bedeutet zum Beispiel, dass sie beim Umbau ihrer Ställe finanzielle Hilfen erwarten können. Der Bundeshaushalt sieht dafür zunächst eine Milliarde Euro vor, das wird aber nicht ausreichend sein.
Welche Probleme gibt es mit dem staatlichen Label?
Finanzierungsprobleme: Woher das Geld für die Finanzierung des staatlichen Labels herkommen soll, ist noch gar nicht abschließend geklärt. Möglich wären eine höhere Mehrwertsteuer oder eine Tierwohlabgabe. Diese könnte beispielsweise 40 Cent pro gekauftem Kilo Fleisch betragen. Für diese Vorschläge erntet Özdemir Kritik aus der eigenen Koalition, denn durch die Inflation sind Lebensmittel für Verbraucher sowieso schon deutlich teurer geworden. Lebensmittel und somit auch Fleisch, müssen laut den Kritikern bezahlbar bleiben. Eine weitere Preiserhöhung ist vielen Menschen aktuell einfach nicht zumutbar.
Es gibt bereits Kennzeichnungen: Stimmen aus der Opposition sagen außerdem, dass die bisherigen Kennzeichnungen für Fleisch ausreichend seien und die Neuerungen überflüssig sind. Auch Landwirte sehen bei der Umsetzung des Plans große Schwierigkeiten, vor allem, weil damit auf sie ein extrem hoher bürokratischer Aufwand zukommt.
Belastung für Landwirte: Für Kritik sorgt auch das Fehlen eines verbindlichen Zeitplans für die Umsetzung der Kennzeichnungspflicht bei der Rinder- und Geflügelhaltung. So haben die Tierhalter große Probleme, sich an die neuen Entwicklungen anzupassen. Ein großes Manko des staatlichen Labels ist außerdem die Tatsache, dass die Kennzeichnungspflicht entfällt, wenn ein Verarbeitungsschritt bei der Fleischproduktion in das europäische Ausland ausgelagert wird. So gibt es die Möglichkeit, sich den neuen Reglungen einfach zu entziehen und die Transparenz, die eigentlich geschaffen werden soll, wird nicht ermöglicht.
Es bringt den Tieren nichts: Umwelt- und Tierschützer sind der Meinung, dass das neue Label noch längst nicht ausreicht, um endlich Tierwohl zu garantieren. Denn hier werden große Probleme der Nutztierhaltung immer noch nicht ausreichend beachtet, wie schlechte Bedingungen beim Transport der Tiere, der Schlachtung und der Tiergesundheit. Es werden nämlich, wie bei freiwilligen Labels, nur die Haltungsbedingungen beachtet. Diese sagen aber nicht unbedingt etwas darüber aus, wie es den Tieren auch wirklich geht.
Eine Verbesserung oder doch sinnloser Bürokratiewahn?
Insgesamt lässt sich sagen, dass ein staatliches und somit verpflichtendes Label immer noch ein wichtiger und nötiger Schritt in Richtung Tierwohl und bessere Haltungsbedingungen ist. Allerdings sind bei der aktuellen Planung einfach noch zu viele Fragen offen und es gibt zahlreiche Unklarheiten. Von einer besseren und nicht überstürzten Planung und Umsetzung würden Tiere, Landwirte und Verbraucher wohl viel eher profitieren. Bis dahin können die schon existierenden Label ein Anhaltspunkt sein, um beim Kauf von Fleisch eine bessere Wahl zu treffen. Ansonsten schafft es das neue Label vielleicht gar nicht genug positive Veränderung zu bewirken und belastet nur Landwirte und sorgt für Fleischpreise, die für viele unbezahlbar sind. Und die Tiere haben auch nicht wirklich etwas davon, vor allem wenn Schlupflöcher genutzt werden, um sich gar nicht an die neuen Regelungen halten zu müssen. Es stellt sich hier die Frage, ob es dem Bundeslandwirtschaftsminister und seiner Partei womöglich eher um ein tierfreundliches Image geht anstatt um echte Veränderung. Ob sich dies bestätigt oder ob das neue Label wirklich etwas bringt, wird sich noch zeigen müssen.
Quelle: Verbraucherzentrale, bundesregierung.de, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Initiative-Tierwohl, Greenpeace, Aldi, Edeka, Öko-Test, Bilder: Depositphotos/dusanpetkovic, format35, lightpoet, Text: Fatma Cevik
- Fleisch
- Bio
- Tierleid
- Massentierhaltung