Pirates of Plastic: Wenn Jugendliche zu Wissenschaftlern werden
Die Plastikpiraten sind mal wieder auf Beutezug unterwegs. Ihr Ziel sind die Flüsse in Europa. Doch statt übler Plünderei haben die Seeräuber nur eins im Sinn: die Suche nach dem Plastik. Ecowoman erklärt, was es mit der Aktion auf sich hat.
Piraten heißen Klaus Störtebeker, Blackbeard oder Barbarossa und sehen in unserer Vorstellung aus wie Jonny Depp. Doch fernab von Hollywood und Geschichtsbüchern ist der Pirat von heute auf einer ganz anderen Mission unterwegs: Er ist zwischen 10 und 16 Jahre alt und nicht auf der Suche nach einer Schatztruhe gefüllt mit Gold, sondern nach etwas weitaus weniger Erfreulichem – nach Plastik.
Plastikpiraten nehmen Flüsse in Europa unter die Lupe
Doch was steckt hinter der Aktion? Bei den Plastikpiraten handelt es sich um eine Initiative des deutschen Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsministeriums, die erstmals 2016 im Rahmen des „Wissenschaftsjahres 2016/17 – Meere und Ozeane“ stattfand.
Sie macht Jugendliche zu Wissenschaftler*Innen, indem diese Daten zum Plastikvorkommen in Gewässern erheben und sie mit Forscher*Innen teilen und auswerten. Bei der Aktion soll es aber auch darum gehen, das Bewusstsein der Gesellschaft für die Bedeutung von Flüssen als gemeinsame Lebensadern zu stärken und sie auffordern, sich mit dem Thema des Plastikmülls in der Umwelt auseinanderzusetzen.
Flüsse und Gewässer in Europa mit Plastikmüll belastet
Denn die größte Müllkippe der Welt ist das Meer. Bilder von Inseln aus Plastik, die größer sind als ganze Länder, prägen inzwischen die Bilder in den Medien und dürften inzwischen vielen von uns bekannt sein. Dabei ist das eigentliche Problem, das in den Ozeanen umherschwimmt, gar nicht zu sehen: das Mikroplastik. Das heißt, Teilchen, die kleiner als fünf Millimeter sind und sich in allen Schichten des Meeres verteilen.
Was vielen Menschen nicht bewusst ist, dass Mikroplastik auch in großen Mengen in unseren Flüssen und Inlandsgewässern vorkommt. An den Ufern sammelt sich der Abfall auf wilden Deponien, wo Müll von der Bevölkerung und aus der Industrie direkt in die Umwelt gekippt wird. Und dieser wird dann direkt von den Flüssen und Gewässern hinaus ins Meer geschwemmt.
Plastikpiraten: Europas Flüsse und ihr Weg Richtung Meer
Jeder von uns, auch wenn er irgendwo im Landesinneren und weit weg vom Meer wohnt, hat somit etwas mit dem Plastikmüll im Meer zu tun. Denn auch kleine Flüsse im Binnenland erreichen irgendwann das Meer – und mit ihnen die unterschiedlichsten Arten von Plastikmüll.
Die Donau durchfließt zum Beispiel insgesamt zehn Länder, bevor sie nach rund 3000 Kilometern in Sulina in Rumänien ins Schwarze Meer mündet. Auf ihrem Weg bewegt Europas längster Fluss nicht nur Schiffe, Pflanzenreste und Fische, sondern auch Joghurtbecher, Zigarettenstummel, Plastiktüten und jede Menge Mikroplastik.
Es wurde bereits erforscht, dass große Mengen an Müll über die Flüsse in den Ozean getragen und dort zur Gefahr für die Meeresbewohner werden. Es wirft allerdings noch viele Fragen auf, wo genau der meiste Müll in die Flüsse kommt, wer ihn verursacht und welche Auswirkungen das Plastik auf die Flora und Fauna an Flüssen hat.
Plastic Pirates: Plastikmüll im Wasser gemeinsam angehen
Damit wird schnell klar, dass der Plastikmüll ein grenzüberschreitendes Problem und der Schutz der Meere eine Aufgabe für alle ist, egal ob man direkt am Meer oder im Landesinneren wohnt. Und genau an diesem Punkt setzt die Aktion der Plastikpiraten an.
Die Initiative wurde in diesem Jahr ausgeweitet und auch die Bildungsministerien aus Portugal und Slowenien beteiligen sich. „Plastic Pirates – Go Europe“ ist also erstmals eine länderübergreifende Citizen-Science-Aktion mit europäischer Mission. Langfristig soll die Aktion allerdings in der ganzen EU stattfinden und somit eine noch breitere Datenbasis liefern.
Übrigens: Citizen-Science ist eine Form der offenen Wissenschaft, die in den letzten Jahren immer beliebter und populärer wird. Es bedeutet, dass interessierte Menschen und Laien eigenständig Messungen durchführen, Beobachtungen machen oder Daten dokumentieren, um damit Projekte von Forschenden zu unterstützen. Sowohl auf nationaler Ebene als auch europa- und weltweit arbeiten immer mehr Wissenschaftler*Innen mit dieser Methode, um gemeinsam Forschungslücken zu schließen.
Plastic Pirates als Zeichen der internationalen Forschungszusammenarbeit
Auch die Plastikpiraten sind als eine Form der Bürgerwissenschaften zu verstehen, die sich allerdings vorwiegend an Jugendliche zwischen 10 und 16 Jahre in Deutschland, Slowenien und Portugal richtet, die Müll an den Ufern von Flüssen europaweit kapern sollen.
Die jungen Wissenschaftler*Innen sollen Daten erheben und herausfinden, wie es um die Plastikverschmutzung der Flüsse steht, welche Arten von Kunststoff sich besonders häufig in Wassernähe finden lassen und welche Auswirkungen das auf die Meere und Ozeane hat. Dadurch erfahren die Jugendlichen das weltweite Problem des Plastikmülls in ihrem unmittelbaren Umfeld, zugleich soll ihnen aber auch die Bedeutung internationaler Forschungszusammenarbeit schmackhaft gemacht werden. Damit aus Piraten irgendwann vielleicht einmal echte Wissenschaftler*Innen im Kampf gegen den Plastikmüll werden.
Plastic Pirates kapern Plastikmüll am Flussufer
Und wie funktioniert die Aktion? An „Plastic Pirates – Go Europe“ können sich Schulklassen, Vereine oder andere Jugendgruppen beteiligen, die aktiv etwas für den Umweltschutz tun oder einen wichtigen Beitrag zu Erforschung des Plastikproblems in Europa leisten wollen. Im Zeitraum vom 15. September bis zum 15. November sind die jungen Forschenden dazu aufgerufen, an den Ufern von Flüssen, Bachläufen oder anderen Gewässern Plastikmüll zu finden und die unterschiedlichen Arten zu bestimmen.
Je nach Größe der Gruppe teilen sich Teilnehmenden noch einmal in verschiedene Kleingruppen auf, die sich unterschiedlichen Forschungsmethoden widmen sollen. So hat eine Gruppe der jungen Wissenschaftler*Innen beispielsweise den treibenden Müll im Fluss im Blick. Andere spezialisieren sich wiederum auf größeres Mikroplastik am Ufer oder untersuchen die Müllvielfalt. Auch ein Reporterteam kann unterwegs sein und sich auf die Suche nach möglichen Müllquellen machen.
Um die Daten, Funde und Ergebnisse zu dokumentieren, steht für die Jugendlichen auf der Webseite der Aktion kostenfrei passendes Material zur Verfügung. Ebenso wie für Lehrer oder Betreuer, die das Vorhaben begleiten wollen.
Leinen los: Plastic Pirates übergeben Daten an Forscher
Haben die jungen Forschenden genug Daten an ihrem Flussufer gesammelt und ihre Ergebnisse ausgewertet, können sie diese mitsamt den Fotos auf der entsprechenden Webseite hochladen. Die Auswertungen werden dann auf einer digitalen Europakarte markiert und sind dort für alle einsehbar – und es beginnt die Arbeit für die Forschungspartner, die die Daten aller jugendlichen Projektgruppen wissenschaftlich analysieren. In den sozialen Medien können die Jungforscher allerdings die Aktion weiterhin verfolgen und mehr über den Stand der Ergebnisauswertung erfahren.
So arbeitet in Deutschland beispielsweise die Ruhr-Universität in Bochum oder die Kieler Forschungswerkstatt mit den gewonnenen Daten weiter. Die Wissenschaftler*Innen wollen unter anderem analysieren, welche Flussabschnitte besonders stark mit Plastik verschmutzt sind und wie sich die Belastung von der Quelle bis zur Mündung eines Flusses entwickelt. Mit der Hoffnung, dass sich daraus wirksame Schutzmaßnahmen ableiten lassen, die Flüssen, Meeren und letztlich uns selbst zugutekommen. Also: Allemann bereit machen zum Entern des Problems. Knöpfen wir uns den Plastikmüll vor und kapern das Mikroplastik!
Quellen: Bilder: Depositphotos/wildam, Valerii_Honcharuk, Titelbild: BMBF/Plastic Pirates – Go Europe!, Text: Lisa Bender
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