Zero Waste: Besser Leben ohne Müll
Mit Zero Waste Lifestyle und dem Tante Olga-Store hat die Zero Waste-Bewegung endlich auch ihren Weg nach Köln gefunden. Worum es geht erklärt Co-Gründerin Olga Witt im Interview.
Das Zero Waste-Movement gilt als radikalster Vertreter des alltäglichen Umweltschutzes. Dabei sorgt Müllverzicht, glaubt man Olga Witt, nach einer kurzen Umstellungsphase vor allem für eines: Höhere Lebensqualität.
Im Gespräch mit Olga Witt
Hallo Olga. Wer steckt hinter Zero Waste?
Das Team von Zero Waste Lifestyle und ‚Tante Olga’ besteht aus mir, Olga Witt, Architektin, meinem Mann Gregor Witt, Qualitätsmanager und unserer Partnerin Dinah Stark, Betriebswirtin.
Wie kam es zu der Entscheidung euren Hausmüll auf Null zu reduzieren? War Umweltschutz für euch schon immer ein wichtiges Thema?
Angefangen hat alles mit einem diffusen Gefühl beim Lebensmitteleinkauf. Diese ganzen Verpackungen im Supermarkt konnten einfach keine gute Idee sein. Die Erkenntnis, dass wir der ganzen Müllproblematik keinesfalls hilflos ausgeliefert sind, gewann ich als ich vor vier Jahren zufällig das erste Mal über den Begriff ‚Zero Waste’ in stolperte. Das war für mich der Einstieg in den Ausstieg und ich begann das Ziel der Müllfreiheit, das andere scheinbar schon erreicht hatten sukzessive in meinem Alltag umzusetzen. Die Tragweite, die das Thema schließlich in meinem Leben einnehmen sollte konnte ich Anfangs natürlich überhaupt noch nicht erahnen. Meine damalige Beziehung zerbrach, mein Beruf als Architektin wurde mir immer fremder und auch meine Mitmenschen kamen mir oft wie von einem fremden Stern vor.
Was hat sich für euch seit eurer Entscheidung im privaten und beruflichen Bereich verändert?
Je mehr ich mich mit dem Thema auseinandersetzte, desto klarer wurde mir, dass ich in meinem gelernten Beruf als Architektin nicht mehr glücklich werden würde. Zu wenig ökologisch war mir das Baugewerbe in Köln, was mich zunehmend frustrierte. Eine spontane Kündigung und eine sechs monatiger Slow-Motion Reise durch Südostasien, teils per Fahrrad, bestärkten mich darin, dass wenn ich meinen innersten Beweggründen treu bleiben würde, sich auch das Passende für mich ergebe. Mit dieser Zuversicht wieder zurück in Deutschland lernte ich Gregor und seine drei Kinder kennen und verliebte mich Hals über Kopf. Ein Jahr später heirateten wir und ein gemeinsames Kind ist unterwegs. Für Gregor kam mein Lebensstil wie eine Berufung, denn auch für ihn hatte ein Leben im Einklang mit der Natur schon immer einen hohen Stellenwert. Zusammen konnten wir meinen Traum eines Zero Waste-Ladens verwirklichen. Ein Laden in dem es alles gibt, was man braucht um müllfrei zu leben, etwa Haarseifen, Rasierhobel, Menstruationstassen. Bisher sind die Produkte nur online erhältlich, doch mit ‚Tante Olga’ stehen wir kurz vor der Eröffnung eines richtigen Ladenlokals, in dem es neben all diesen tollen Produkten aendlich auch unverpackte Lebensmittel zu kaufen geben wird.
Dinah lernten wir zufällig auf einem unserer Zero Waste Workshops kennen. Auch sie befand sich auf der Suche nach wirklichen Inhalten, sowohl privat als auch beruflich. Angetan von ihrer warmherzigen, offenen und positiven Art, immer das beste von ihren Mitmenschen zu erwarten, nahmen wir sie dankend in unser Team auf und realisieren den ersten Unverpackt-Laden Kölns nun gemeinsam. Für mich hat sich also tatsächlich alles geändert in der positivsten Art und Weise. Während ich vorher die Stunden zählte bis ein Arbeitstag vorbei ging, kann ich jetzt den ganzen Tag arbeiten ohne es zu merken, weil es eine Tätigkeit ist, die mich erfüllt und mir Freude bereitet. Dabei lernen wir ständig so tolle Menschen kennen und stärken zunehmend das Gefühl, dass wir in der Welt und unserer Stadt wirklich etwas bewirken können. Es ist jeden Tag aufs Neue ein großartiges Gefühl.
...aber nicht auch ziemlich kompliziert?
An manchen Stellen ist mein Leben natürlich komplizierter geworden, etwa weil ich mich viel damit beschäftige, die sparsamste Lösung für Anschaffungen jeglicher Art zu finden und auch die Beziehung zu Freunden und Verwandten ging erst einmal durch eine schwierige Phase. Da gab es dann viele Diskussionen darüber warum ich keine Geschenke haben möchte und wann denn dieser Trend endlich wieder vorbei ist. In vielen Bereichen hat sich mein Leben aber auch deutlich vereinfacht.
So muss ich mir, statt jeden Tag, nur noch einmal die Woche die Haare waschen. Ich muss nicht mehr stundenlang im Kleiderschrank herumwühlen, um etwas Passendes zum Anziehen zu finden, ich muss meine wertvolle Zeit nicht damit zubringen, mich zu schminken und wieder abzuschminken, einzucremen, einzusprühen, zu pudern oder zu frisieren und fühle mich schöner denn je. Zudem kaufe ich natürlich auch viel weniger Dinge des täglichen Bedarfs und da vor allem Einwegprodukte. Ich muss mich nicht mehr messen mit Kleidung oder anderen Statussymbolen. Mein Leben ist viel reduzierter auf wesentliche Inhalte, die mich wirklich bewegen. Gerade was Lebensmittel angeht, ist es bisher für uns kaum möglich müllfrei zu leben. In vielen anderen Bereichen, etwa bei Kosmetik und Körperpflege, ist das hingegen überhaupt kein Problem.
Ist Gregor auch komplett in Zero Waste Lifestyle eingestiegen?
Gregor ist mit dem Herzen und einem großen Teil seiner freien Zeit dabei, wird aber auch in Zukunft seine erfolgreiche Arbeit in der Beratung von Arztpraxen weiterführen.
Du hast deine Erfahrungen beim Umstieg in einem Blog festgehalten...
Ja, meine Leidenschaft für Schreiben hat mir dabei natürlich sehr geholfen...
...der mittlerweile um ein komplettes Netzwerk mit Stammtisch, D.I.Y.-Tipps, Videos, öffentlichen Aktionen und Workshop Angeboten ergänzt wurde. Wie kam die Idee zustande Zero Waste Lifestyle als Firma zu gründen?
Im Rahmen meiner Aufklärungsarbeit wurde mir schnell klar, wie viele Möglichkeiten es noch gibt um Menschen von der Idee zu begeistern und so kam dann mit der Zeit eins zum anderen. Je vielseitiger das Angebot ist, desto mehr Menschen kann man erreichen. Die einen lesen lieber, die anderen bevorzugen Videos und wieder andere mögen den direkten Austausch in einem Workshop. Jetzt ist für jeden etwas dabei. Der Stammtisch ist aus dem Wunsch heraus entstanden, mich mit Menschen auszutauschen, die ähnliche Ideen und Ideale haben. Gerade diesen Gedanke finde ich sehr wertvoll, denn ich stelle immer wieder fest, dass vielen ähnlich geht. Man glaubt, man stehe mit seinem Wunsch umweltbewusster zu leben alleine da und da regelmäßige Treffen mit Gleichgesinnten natürlich. Nach Köln gibt es jetzt auch in Düsseldorf einen Stammtisch und wir hoffen natürlich, dass das Konzept auch in anderen Städten und Regionen aufgegriffen wird. Wer also Interesse hat, in seiner Stadt ebenfalls einen Stammtisch ins Leben zu rufen, kann sich gerne bei uns melden und wir vermitteln zwischen allen Interessenten.
Was ist eure Definition von Müll? Geht es da in erster Linie um schnelle Verpackungen die eigentlich sofort weggeworfen werden oder grundsätzlich um die Nutzung von Plastik, Styropor, Aluminium etc.?
Das ist eine sehr interessante und vor allem berechtigte Frage, die nicht ganz leicht zu beantworten ist. Denn Müll ist erst einmal alles, dessen wir uns entledigen. Das kann Plastik oder Metall sein aber natürlich auch Stoff, Papier, Holz oder Essen. Und doch haben manche Materialien schlimmere Auswirkungen auf unsere Umwelt als andere. Vor allem Kunststoffe stellen ein Problem für die Umwelt dar. Hergestellt aus einer endlichen Ressource, haben sie sowohl bei der Förderung, als auch bei der Entsorgung verehrenden Auswirkungen auf unser Ökosystem. Andere Ressourcen, wie Aluminium sind vor allem in der Beschaffung der Rohstoffe problematisch. Aber auch nachwachsende Rohstoffe aus Holz und anderen Pflanzen haben eine belastende Auswirkung auf unsere Umwelt. Deshalb lautet die erste und wichtigste Maxime der Zero Waste Bewegung ‚Reduce’, sprich die Reduzierung jeglichen Ressourcenverbrauchs. Erst an zweiter Stelle folgen die Maximen des ‚Reuse’, also die Wiederverwertbarkeit und des ‚Recycle’, also die Wiederverwertung. Deshalb versuchen wir auch jegliche Form von Müll zu reduzieren, da es sich dabei grundsätzlich um Ressourcen handelt, die zu wertvoll sind, um sie zu verschwenden.
Mit eurem Unverpackt-Laden "Tante Olga" geht ihr jetzt noch einen Schritt weiter in die Öffentlichkeit. Ist es problematisch eine Verkaufserlaubnis für unverpackte Produkte zu bekommen?
Eine Verkaufserlaubnis für unverpackte Lebensmittel ist nicht notwendig. Es müssen lediglich ein paar Hygieneauflagen erfüllt werden, Das Veterinäramt hat uns beim Aufbau des Shops von Anfang an massiv unterstützt. Wahrscheinlich ist denen der Verpackungswahnsinn mittlerweile auch unheimlich geworden.
Welche Produkte wird es im Shop geben?
Das Sortiment unseres Ladens wird sich auf die Dinge konzentrieren, die im Einzelhandel besonders schwer unverpackt bzw. in Papier verpackt zu finden sind. Das sind eben insbesondere trockene Lebensmittel wie Reis, Nudeln, Hülsenfrüchte, Getreide, Nüsse, Trockenfrüchte, Schokolade, Kakao, Mehl usw. aber auch Tee und Gewürze. Alle Produkte werden komplett aus kontrolliert biologischem Anbau sein. Außerdem legen wir einen Schwerpunkt auf regionale Produkte sowie auf Fair Trade-Zertifizierungen bei Importwaren. Das Non-Food Sortiment umfasst beispielsweise Menstruationstassen, Rasierhobel, Haarseifen und Bambuszahnbürsten aber auch Büromaterial und auch ein Baukastensystem um Reinigungsmittel selbst herstellen zu können. Die Transportverpackungen bringen die Kunden selbst mit. Das können Gläser und Dosen ebenso wie Tüten und Stoffsäckchen sein.
Die Finanzierung des Ladens läuft derzeit per Crowdfunding. Wie weit seid ihr da aktuell und wann steht die Eröffnung an?
Derzeit wird das Ladenlokal noch vom Vermieter renoviert. Anfang Juli bekommen wir dann die Schlüssel und können mit dem Einrichten beginnen. Unverpacktes Verkaufen ist im Vorfeld mit etwas Aufwand verbunden. Wir brauchen beispielsweise spezielle Spender und Schütten, an denen sich der Kunde selbst bedienen kann. Da keiner von uns auf einem Haufen Geld sitzt, nutzten wir den Juni, um über die Crowdfunding-Plattform Startnext Spenden zu sammeln und den Laden entsprechend zu bespielen. Sollten wir nicht genug Geld zusammen bekommen, werden wir als Einkaufsgemeinschaft anfangen, bei der erst mal nur Mitglieder einkaufen können. Aber wir glauben eigentlich fest daran, dass ‚Tante Olga’ auch über die Spenden vieler guter und tatkräftiger Menschen realisiert werden kann.
Was plant ihr für die Zukunft?
Wir haben noch eine ganze Menge Ideen im Petto. Ein Ziel ist beispielsweise der Zusammenschluss aller deutschen Unverpackt-Läden um mehr Druck auf Lieferanten ausüben und so die gesamte Lieferkette von Kunststoffen zu befreien. ‚Tante Olga’ soll auch nicht nur ein Laden sein. Wir möchten vielmehr einen Ort schaffen, an dem das gute Leben jeden Tag stattfindet, abseits von gewinnmaximierenden Großkonzernen, wir möchten Menschlichkeit in den Vordergrund rücken und die Gemeinschaft in unserem Viertel stärken. Coffee-to-go wird es bei uns ganz ohne Einwegbecher geben, aber noch wichtiger ist der Coffee-to-stay sowie gute Gespräche mit Fragen und Anregungen. Müllvermeidung und Ressourcenschonung wird der zentrale Schwerpunkt sein, um den wir kontinuierlich mehr Angebote und einfacherer Lösungen anbieten wollen.
Zwei nützliche Tipps für den Zero Waste Lifestyle im Video erklärt:
Das könnte Sie auch interessieren: Verschwendung: 2,7 Tonnen Brot pro Woche im Müll
Quelle: www.zerowastelifestyle.de, Text: Andreas Grüter
- Müll
- Zero Waste
- Köln